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Sagen aus Schlesien

Sagen aus Schlesien

Titel: Sagen aus Schlesien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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zurückgezogen hatten und die Tore wieder geöffnet waren, fanden sich versprengte Landbewohner ein und berichteten, was ihnen die Schweden erzählt hätten: über Gleiwitz sei eine leichte Wolke gestanden, und in dieser habe die Heilige Jungfrau gethront, die über die Stadt ihren großen Mantel ausbreitete; als sie aber beim Sturm auf die Städter schossen, sei die Gottesmutter auf der Mauer erschienen und habe mit ihrem Mantel die Verteidiger gedeckt, so daß keiner getroffen worden sei.
    In Gleiwitz herrschte nun große Freude. Man gelobte eine Wallfahrt zu unternehmen. Die Bürger verpflichteten sich hiezu durch Ablegen eines Eides in der Pfarrkirche. Dazu mußten die Eltern alle ihre Kinder mitbringen. Am Schluß des Eides mußten sie dann die Kinder bei den Ohren zupfen, und den Müttern war aufgetragen, ihren Säuglingen einen lauten Schrei zu entlocken, um dadurch anzuzeigen, daß es auch Gelöbnis der Kinder sei, diese Wallfahrt alljährlich zu wiederholen.
    An jener Stelle aber, wo der schwedische Hauptmann erschossen worden war, hat man mitten auf der Landstraße eine Säule errichtet, die erst 1820 beim Bau der neuen Landstraße abgetragen wurde.

Die treue Bergmannsbraut
    Lange ist es her, da lebte in einem Grubenort Oberschlesiens ein sehr schönes Mädchen, das einen Bergknappen von ganzem Herzen gern hatte; auch der junge Mann liebte die schöne Anna über alles. Zutiefst im Wald verborgen lag das kleine Dörfchen, und Schön-Annas Häuschen war das letzte im Ort. Oft saß sie in der Laube vor der Haustür und wartete auf ihren Franz. Sie harrte nie vergebens.
    Darüber war es Winter geworden und wieder Frühling. Vom Zechenhaus her rief das Schichtglöcklein die Knappen zur Arbeit. In langen Reihen zogen sie zum Schacht, die Grubenlampe vor sich herhaltend. Auch Franz sollte sich ihnen anschließen. Aber noch weilte er bei seiner Braut, wie zur Einfahrt ins Werk gerüstet mit Keilhaue und Lampe versehen. Anna empfand eine unerklärliche Angst, schien es ihr doch, als flackere die Lampe des Liebsten heute gar so trübe. Auch Franz fühlte sich bedrückt und fragte das Mädchen, wie von einer Ahnung ergriffen, ob es um ihn trauern würde, wenn ihn ein Unglück träfe.
    »Gott möge dich beschützen, Liebster!« rief sie erblassend. »Sollte es aber deine letzte Schicht sein, so will ich auch nicht mehr leben, und Gott möge unseren Seelen gnädig sein!«
    So schmerzlichen Abschied hatten sie noch nie genommen. In sonderbar ergriffener Stimmung eilte Franz den Kameraden nach. Doch als er hinab in die Tiefe fuhr, wurde er wieder fröhlich; denn er malte sich aus, wie glücklich er mit Anna sein werde. Als er dann allein am Werk saß, knisterte und raschelte es plötzlich um ihn herum, blaue Flämmchen stiegen auf und hüpften um ihn. Dumpfes Krachen ging durch das Gestein, ein banges Grauen ergriff ihn. Und auf einmal barst das »Gebirge«, brach und stürzte zusammen, den jungen Knappen unter seinen Trümmern begrabend.
    Als der Abend sich niedersenkte und die Sterne am Himmel blinkten, zogen die heimkehrenden Knappen in langen Reihen an Annas Haus vorüber. Das Mädchen stand vor der Haustür, wartete und spähte, aber Franz kam nicht. Endlich trat ein alter Bergmann zu ihr und teilte ihr schonend mit, was in der Tiefe geschehen war.
    Da wurde das Antlitz des Mädchens weißer als der Schnee, und es schien, als wolle sie zusammenbrechen. Aber nur einen Augenblick. Dann rief sie: »Ich komme, Liebster!« und stürzte an den erschrockenen Knappen vorbei; geradewegs zum Schacht ging ihr Weg. Hier stand sie nur einen Augenblick, noch einmal zu den Sternen blickend und ihre Seele Gott empfehlend, dann verließen sie die Sinne; ohnmächtig stürzte sie zusammen und fiel unglücklicherweise in den Schacht.
    Es ist lange her, seit das geschehen ist – so erzählte eine alte Frau – aber die Seelen von Franz und Anna finden keine Ruhe, sie irren im Schacht umher, bis Gott sie dereinst heimruft. Oft hört man um Mitternacht ein Flüstern und Raunen im Gestein; wesenlose Gestalten, umwallt von weißen Schleiern, huschen an den erschreckten Knappen vorbei. Diese fahren dann schleunigst aus, sie wissen, es ist die treue Bergmannsbraut und ihr Liebster, die sie vor einem drohenden Unglück warnen. Immer erscheinen sie den frommen Knappen, wenn Gefahr in Verzug ist.

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