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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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»Höret mich an, ihr Fürsten des Volkes! Mir blutet das Herz, wenn ich unsre Scharen so vor uns hinsinken sehe. Für mich ist das Volk in den Kampf gezogen, und nun soll am Ende keiner mehr Heimat und Verwandte begrüßen! Ehe solches geschieht, laßt uns diesen unheilvollen Strand verlassen, und was noch übrig ist, mag mit den Schiffen, jeder in sein Vaterland, zurücksegeln. Seit Achill und Ajax dahingesunken sind, ist kein Erfolg unsrer Unternehmung mehr zu hoffen. Was mich betrifft, so bekümmert mich jetzt Helena, meine unwürdige Gemahlin, weniger als euch; mag sie mit dem weibischen Paris dahinfahren!« So redete Menelaos; doch tat er es nur, um die Griechen zu versuchen; denn im Herzen wünschte er nichts sehnlicher als die Vertilgung der Trojaner. Der Sohn des Tydeus aber, der Lanzenschwinger Diomedes, der seine List nicht merkte, fuhr unwillig von seinem Sitz empor und fing an zu schelten: »Unbegreiflicher! Welche schmähliche Furcht hat sich deiner Heldenbrust bemächtigt, daß du so sprechen magst? Doch bin ich ruhig. Nimmermehr folgen dir die mutigen Söhne Griechenlands, bevor sie Trojas Zinnen zu Boden gestürzt haben! Entschlösse sich aber ein einziger, dir zu folgen, so soll dieser blaue Stahl ihm das Haupt vom Rumpfe trennen!«
    Kaum hatte sich Diomedes wieder auf seinen Sitz niedergelassen, als sich der Seher Kalchas erhob und mit einem weisen Vorschlage den scheinbaren Zwist vermittelte. »Ihr wisset alle noch«, sprach er, »wie wir vor mehr als neun Jahren, als wir zur Eroberung dieser verfluchten Stadt ausschifften, den herrlichen Helden Philoktet, den Freund des Herakles, an einer giftigen und fressenden Wunde krank, auf der wüsten Insel Lemnos aussetzen und dort zurücklassen mußten. Zwar war der Geruch der eiternden Wunde und das Jammergeschrei des Unglücklichen unerträglich. Dennoch war es unrecht und erbarmungslos von uns gehandelt, den Armen auf diese Weise preiszugeben. Nun aber hat mir ein gefangener Seher geoffenbaret, daß nur mit Hilfe der heiligen und stets treffenden Pfeile, welche Philoktet von seinem Freunde Herakles geerbt hat, sowie durch seine und des Pyrrhos, des jungen Achillsprößlings, Gegenwart Troja erobert werden könne. Der Trojaner hat mir diese Weissagung wohl nur mitgeteilt, weil er die Erfüllung derselben für unmöglich hielt, denn so dachte er: wie sollte dem Philoktet der Haß gegen die Griechen, die ihn so schändlich verlassen haben, erlauben, die Pfeile auszuliefern und selbst vor Troja zu erscheinen? Mein Rat ist daher, ohne Verzug den stärksten unsrer Helden, Diomedes, und den beredtesten, Odysseus, nach dem Eilande Skyros zu senden, wo der Sohn des Achill bei dem Vater seiner Mutter erzogen wird. Mit seiner Hilfe wollen wir dann auch den Philoktet zu Lemnos bereden, sich mit uns wieder zu vereinigen und die unsterblichen Waffen des Herakles, durch welche Troja bezwungen werden soll, uns mitzubringen.«
    Die Scharen der Griechen jubelten diesem Vorschlage Beifall, und die beiden Helden gingen zu Schiffe ab. Unterdessen rüsteten sich die Heere wieder zum Kampfe. Den Trojanern war der Sohn des Telephos, Eurypylos, von Mysien mit einem Heere zu Hilfe gekommen, und so fühlten sich diese von neuem gestärkt und ermutigt. Den Griechen dagegen fehlten ihre zwei besten Helden. So kam es, daß die wieder begonnene Schlacht sich ihnen zum Verderben wendete. Da wurde auch Nireus, der Schönste unter den Danaern, von der Lanze des Eurypylos erreicht und lag mit den andern Erschlagenen im Staube, wie ein blühendes Stämmchen vom zerbrechlichen Olivenbaume, das, vom Flusse aufgewühlt, mit der Wurzel entführt und wieder ans Gestade getrieben wird, wo es nun mit Blüten bedeckt daliegt. Eurypylos aber spottete sein und wollte den Leichnam des schönen Harnisches berauben. Da stellte sich ihm Machaon, der Bruder des Podaleirios, entgegen, der schon den Tod des Nireus voll Zorn mit angesehen hatte. Er stieß dem Räuber seinen Speer in die mächtige Schulter, daß das Blut herausströmte. Eurypylos aber drang, wie ein verwundeter Eber, auf Machaon ein; dieser suchte ihn mit einem Steinwurfe abzuwehren, aber der Helm schützte jenen, und nun stieß der Sohn des Telephos dem Griechen schnell wie der Blitz den Speer mitten in die Brust, daß die blutige Spitze bis zum Rückgrat durchdrang und Machaon klirrend auf den Boden fiel.
    Eurypylos zog die Lanze aus dem Leibe des Erschlagenen und wandte sich höhnend wieder in die Schlacht.
    Teucer, der die beiden hatte

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