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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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ausweichen! Mit jedem will ich kämpfen, nur nicht mit Laodamas, denn wer stritte auch gerne mit dem, der ihn bewirtet? Besonders gut verstehe ich's, den Bogen zu spannen, und wenn viele Genossen mit mir in die Wette schössen, ich wäre doch der erste, der meinen Mann mit dem Pfeil träfe. Nur einen kenne ich, den Griechen Philoktet; der hat es mir oft zuvorgetan vor Troja, sooft wir uns dort im Schusse übten! Auch mit dem Wurfspieße treffe ich nicht weniger sicher und schieße so weit wie ein anderer mit dem Pfeile. Nur im Wettlaufe, da möchte vielleicht einer es mir zuvortun, selbst unter euch; denn das stürmische Meer hat mir viel Kraft genommen, zumal da ich tagelang ohne Nahrung auf meinem Fahrzeuge saß.«
    Als die Jünglinge dieses vernahmen, verstummten sie alle, nur der König nahm das Wort und sagte:
    »Wohl hast du uns deine Tüchtigkeit enthüllt, o Fremdling, und hinfort soll dich kein Mensch mehr wegen deiner Stärke tadeln. Wenn du nun daheim bei Gattin und Kindern sitzest, so denk auch an unsre Mannhaftigkeit zurück. Als Faustkämpfer und Ringer zeichnen wir uns freilich nicht aus, aber im Wettlaufe siegen wir, und auf die Schiffahrt verstehen wir uns auch. Schmaus, Saitenspiel, Reigentanz – darin sind wir auch Meister; den schönsten Schmuck, das lindeste Bad, das weichste Lager – die findet man bei uns! Auf denn, ihr Tänzer, ihr Schiffslenker, ihr Läufer, ihr Sänger, zeigt euch vor dem Fremdlinge, daß er zu Hause etwas von euch zu erzählen hat! Und bringet auch die Harfe des Demodokos her!« Sogleich machte sich ein Herold auf und schaffte die Harfe herbei. Neun auserwählte Kampfordner ebneten den Raum für den Tanz und umzirkten die Schaubühne. Ein Spielmann stellte sich mit der Harfe in der Mitte, und der Tanz der blühendsten Jünglinge begann; im schönsten Takte, im raschesten Schwunge hoben sie ihre Füße. Odysseus selbst mußte staunen; er hatte noch nie so behenden und anmutigen Tanz gesehen. Dazu sang der Sänger ein liebliches Lied von den heitersten Geschichten aus dem Leben der Götter. Nachdem der Reigentanz lange genug gedauert, hieß der König seinen Sohn Laodamas und den geschmeidigen Halios den Einzeltanz 287
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    miteinander aufführen; denn mit ihnen wagte es niemand, sich zu messen. Diese nahmen einen zierlichen Ball zur Hand, und der eine schwang ihn, indem er sich rücklings dazu beugte, hoch in die Luft empor; der andere, in die Höhe springend, fing ihn, ehe er wieder mit den Füßen auf den Boden trat, schwebend in der Luft auf. Dann tanzten sie in leichten, wechselnden Schwenkungen umeinander her, und andere Jünglinge, die im Kreise umherstanden, klatschten mit den Händen dazu. Odysseus wandte sich bewundernd zu dem Könige und sprach: »In der Tat, Alkinoos, du kannst dich der geschicktesten Tänzer auf dem ganzen Erdboden rühmen. In dieser Kunst habt ihr euresgleichen nicht!« Alkinoos tat sich auf dieses Urteil nicht wenig zugute. »Höret ihr's«, rief er seinen Phäaken zu, »wie der Fremdling über uns urteilt? Er ist doch ein sehr verständiger Mann, und er verdient es wohl, daß wir ihm auch ein ansehnliches Gastgeschenk reichen.
    Wohlan! zwölf der Fürsten des Landes, und ich selbst der dreizehnte, sollen ihm jeder einen Mantel und einen Leibrock herbeibringen und zudem ein Pfund des köstlichsten Goldes. Das wollen wir ihm zu einer großen Gabe vereint schenken, damit er mit fröhlichem Herzen von uns scheide. Und außerdem soll Euryalos es versuchen, mit freundlichen Worten ihn ganz mit uns auszusöhnen.« Alle Phäaken riefen ihm Beifall zu. Ein Herold ging, die Geschenke zu sammeln. Euryalos nahm sein Schwert mit silbernem Heft und elfenbeinerner Scheide, übergab es dem Gaste und sprach dazu: »Väterchen, haben wir ein kränkendes Wort gegen dich fallen lassen, so sollen es die Winde verwehen! Dir aber mögen die Götter fröhliche Heimfahrt verleihen! Heil und Freude dir! »«Auch dir!« antwortete Odysseus; »möge dich deine Gabe nie reuen!« Mit diesem Wort hängte er sich das schmucke Schwert um die Schulter. Es war um
    Sonnenuntergang, als die Geschenke ankamen und alle vor der Königin niedergelegt wurden. Sie hieß Alkinoos auch noch eine zierliche Lade für die Gewande herbeischaffen; darein wurden die Gaben gelegt und für Odysseus in den Palast getragen. Dort fügte der König, der sich mit der ganzen Gesellschaft in seine Wohnung begeben hatte, noch andere Gaben an köstlichen

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