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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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Spur los, sondern durch frühere Gefahren gewitzigt, kehrte ich erst zu meinen Freunden zurück und sandte Späher aus. Wir hatten auch alle schon lange keine genügende Nahrung zu uns genommen. Da erbarmte sich auf meinem Rückwege der Götter einer über uns und schickte mir einen Hirsch mit hohem Geweih in den Weg, der durstig aus dem Walde zum Bache hinunter in raschen Sätzen stürzte. Ich schoß ihn im Laufe, indem ich ihn mit meiner Lanze mitten in das Rückgrat traf, daß sie unten am Bauche wieder hervordrang. Dann zog ich die Lanze, mit dem Fuße auf das Tier gestemmt, aus der Wunde, macht mir ein Seil von Weidenruten, band es dem Wild um die Füße und trug es so um den Nacken gehängt zu dem Schiffe, indem ich mich bei der ungewohnten Last unter dem Gehen auf meine Lanze stützen mußte.
    Meine Begleiter fuhren freudig empor, als sie die schöne Waldbeute auf meinen Schultern erblickten.
    Geschwind wurde das Tier geschlachtet und ein Festschmaus angestellt, indem wir, was von Brot und Wein zu finden war, auf dem Schiffe zusammensuchten. Nun meldete ich ihnen von dem Rauche, den ich entdeckt hatte. Aber meine Freunde wurden ganz mutlos, denn alle mußten an die Höhle des Zyklopen und den Hafen des Lästrygonenköniges denken, wo uns die Hoffnung beidemal so grausam irregeführt hatte.
    Ich allein blieb mutig unter ihren Tränen. Ich teilte alle meine Genossen, soviel ihrer mir geblieben waren, in zwei Scharen und gab der einen mich selbst, der andern den Eurylochos zu Anführern. Dann schüttelten wir Lose in einem ehernen Helme. Das Los traf den Eurylochos, und er mußte sich sofort mit zweiundzwanzig Genossen, die ihm nur unter Seufzern folgten, auf den Weg machen, nach der Seite, von 294
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    welcher ich den Rauch hatte aufsteigen sehen.
    Diese Schar fand bald den herrlich aus behauenen Steinen aufgeführten Palast der Göttin Kirke in einem anmutigen Tale der Insel versteckt. Wie staunten aber meine Genossen, als sie in der Umzäunung des Hofes und vor der Pforte des Wohnhauses Wölfe mit spitzigem Gebiß und Löwen mit zottigen Mähnen umherwandeln sahen. Voll Angst erblickten sie die gräßlichen Ungeheuer und dachten schon darauf, wie sie sich aus dem unheimlichen Orte durch die schleunigste Flucht retten möchten. Aber bereits waren sie umringt von den wilden Tieren. Diese taten ihnen jedoch nichts zuleide, stürzten auch nicht, wie solche Bestien pflegen, mit einem Satze auf sie zu, sondern sie näherten sich ihnen langsam und schmeichelnd, und trugen ihre langen Schweife wedelnd aufgerichtet, wie Hunde, wenn sie dem Herrn entgegengehen, der ihnen gute Bissen von einem Schmause mitbringt. Es waren dies, wie wir nachher erfuhren, lauter durch die Zauberkünste Kirkes verwandelte Menschen.
    Da die Tiere ihnen nichts anhatten, faßten meine Freunde wieder Mut und näherten sich der Pforte des Palastes. Aus diesem hörten sie die Stimme Kirkes, die eine vortreffliche Sängerin war, erschallen. Sie sang zu ihrer Arbeit; denn sie saß eben über dem Gewebe eines großen, wundervollen Gewandes, wie es nur Göttinnen zu wirken verstehen. Der erste, der einen Blick in den Palast geworfen hatte und sich dieses Anblicks erfreute, war der Held Polites, der mir besonders befreundet war. Auf seinen Rat riefen unsere Freunde die Bewohnerin heraus, und sie erschien auch wirklich freundlich an der Pforte und nötigte alle Angekommenen herein, mit Ausnahme ihres Führers Eurylochos, der ein besonnener Mann war und, durch die früheren Vorfälle gewarnt, irgendeinen Betrug witterte.
    Die andern führte Kirke gar holdselig in ihren Palast ein und hieß sie auf hohen, schmucken Sesseln Platz nehmen. Alsdann brachte man Käse, Mehl, Honig und herben pramnischen Wein herbei, woraus ein Gericht köstlicher Kuchen von Kirke geknetet wurde; während dieser Arbeit aber mischte sie unvermerkt unheilbringende Säfte unter den Teig, welche die Armen von Sinnen bringen und sie ihres Vaterlandes vergessen machen sollten. Und wirklich wurden sie alle miteinander, sowie sie von der verführerischen Speise gekostet hatten, in borstige Schweine verwandelt, fingen an zu grunzen und wurden von der Zauberin samt und sonders in die Kofen getrieben. Hier ließ ihnen Kirke statt der köstlichen Bissen Steineicheln und Kornellen, wie andern Schweinen, zur Nahrung vorwerfen.
    Eurylochos hatte von weitem das alles zum Teile mit angesehen, zum Teile geschlossen. Er eilte, was er nur konnte, zu

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