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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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Fremdlingen gefühlt, aber nicht gewagt, dem grimmigen Zorn ihres Vaters entgegenzutreten. So kam ihr die Bitte des Sohns erwünscht, und sie versprach ihren Beistand.
    Medea selbst lag in unruhigem Schlummer auf ihrem Lager und sah einen ängstigenden Traum. Ihr war, als hätte der Held sich schon zu dem Kampfe mit den Stieren angeschickt. Er hatte aber diesen Kampf nicht um des Goldenen Vlieses willen unternommen, sondern um sie als Gattin in die Heimat zu führen. Nun war es ihr im Traume, als ob sie selbst den Kampf mit den Stieren bestände, die Eltern aber wollten ihr Versprechen nicht halten und dem Iason den Kampfpreis nicht geben, weil nicht sie, sondern er geheißen war, die Stiere anzuschirren. Darüber war ein heftiger Streit zwischen ihrem Vater und den Fremdlingen entbrannt, und beide Teile machten sie zur Schiedsrichterin. Da wählte sie im Traume den Fremdling; bitterer Schmerz bemächtigte sich der Eltern, sie schrien laut auf – und mit diesem Schrei erwachte Medea.
    Der Traum trieb sie nach dem Gemach ihrer Schwester, aber lange hielt die Scham sie unschlüssig im Vorhofe, dreimal verließ sie ihn, und dreimal kehrte sie wieder zurück; und endlich warf sie sich wieder weinend in ihrem eigenen Gemache nieder. So fand sie eine ihrer vertrauten jungen Dienerinnen. Diese hatte Mitleid mit der Herrin und meldete der Schwester Medeas, was sie gesehen hatte. Chalkiope empfing diese Botschaft im Kreis ihrer Söhne, als sie eben sich mit ihnen beriet, wie die Jungfrau zu gewinnen wäre.
    Sie eilte in das Gemach der Schwester und fand sie, die Wangen zerfleischend und in Tränen gebadet. »Was ist dir geschehen, arme Schwester«, sprach sie mit innigem Mitleid, »welcher Schmerz peinigt deine Seele?
    Hat der Himmel dir eine plötzliche Krankheit gesendet? Hat der Vater über mich und meine Söhne Grausames zu dir gesprochen? O daß ich ferne wäre vom Elternhaus, und da, wo man den Namen der Kolcher nicht hört!«
    MEDEA VERSPRICHT DEN ARGONAUTEN HILFE
    Die Jungfrau errötete bei diesen Fragen ihrer Schwester, und Scham verhinderte sie zu antworten; bald schwebte ihr die Rede zuäußerst auf der Zunge, bald floh sie in die tiefste Brust zurück. Endlich machte sie die Liebe kühn, und sie sprach mit verschlagenen Worten: »Chalkiope, mein Herz ist betrübt um deine Söhne, es möchte sie der Vater mit den fremden Männern auf der Stelle töten. Solches verkündet mir ein schwerer Traum; möge ein Gott ihm die Erfüllung verweigern.« Unerträgliche Angst bemächtigte sich der Schwester: »Eben deswegen komme ich zu dir«, sprach sie, »und beschwöre dich, mir gegen unsern Vater beizustehen. Weigerst du dich, so werde ich mit meinen ermordeten Söhnen dich noch vom Orkus aus als Furie umschweben!« Sie umfaßte mit beiden Händen Medeens Knie und warf das Haupt in ihren Schoß; beide Schwestern weinten bitterlich. Dann sprach Medea: »Was redest du von Furien, Schwester? Beim Himmel und der Erde schwöre ich dir: was ich tun kann, deine Söhne zu retten, will ich gerne tun.« »Nun«, fuhr die Schwester fort, »so wirst du auch dem Fremdling um meiner Kinder willen irgendeinen Trug an die Hand geben, jenen furchtbaren Kampf glücklich zu bestehen; denn von ihm gesendet, fleht mein Sohn Argos mich an, dem Gastfreunde deine Hilfe zu erbitten.«
    Das Herz hüpfte der Jungfrau vor Freuden im Leibe, als sie dieses hörte, ihr schönes Angesicht errötete, ihr funkelndes Auge umhüllte einen Augenblick der Schwindel, und sie brach in die Worte aus: »Chalkiope, das Morgenrot soll meinen Blicken nicht mehr leuchten, wenn dein und deiner Söhne Leben nicht mein erstes ist. Hast du doch mich, wie mir so oft die Mutter erzählte, zugleich mit ihnen gesäugt, als ich ein kleines Kind war; so liebe ich dich nicht nur wie eine Schwester, sondern auch wie eine Tochter. Morgen in aller Frühe will ich zum Tempel der Hekate gehen und dort dem Fremdlinge die Zaubermittel holen, welche die Stiere besänftigen sollen.« Chalkiope verließ das Gemach der Schwester und meldete den Söhnen die erwünschte Botschaft.
    Die ganze Nacht lag Medea in schwerem Streite mit sich selbst. ›Habe ich nicht zuviel versprochen‹, sagte sie in ihrem Innern, ›darf ich so viel für den Fremdling tun? Ihn ohne Zeugen schauen, ihn anrühren, was doch geschehen muß, wenn der Trug gelingen soll? Ja, ich will ihn retten; er gehe frei hin, wohin er will: doch an dem Tage, wo er den Streit glücklich vollbracht haben wird, will ich sterben. Ein

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