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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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von Ambrosia gegessen.
    Dann aber hat er ein Verbrechen begangen – in den Augen der Götter war es ein Verbrechen: Er hat ihre Gastfreundschaft verletzt. Er hat sich nämlich etwas von der Götterspeise eingesteckt, weil er auf der Erde vor seinen Freunden damit prahlen wollte. Er war auch sehr reich, alle haben ihn zu sich eingeladen, jeder wollte sein Freund sein, jeder hat ihn beschenkt. Und er hat geprahlt, hat ebenfalls Einladungen gegeben, hat den Gästen Nektar und Ambrosia zu trinken und zu essen gegeben.
    Dann hatte er den Verdacht, daß ihm die Götter dahintergekommen wären, und er dachte sich: »Wenn ich die Götter selbst zu mir zum Essen einlade, dann sind sie vielleicht besänftigt und sehen mir meinen kleinen Diebstahl nach. Schließlich bin ich der Sohn des Zeus.«
    Er hat die Götter also zu sich nach Hause eingeladen in seine irdische Wohnung. Und tatsächlich: sie kamen alle.
    Und da hat er gemerkt: Ich habe nicht genug im Haus für alle. Er ist in Verlegenheit geraten, hatte den göttlichen Appetit unterschätzt. Und das hat dann seine Katastrophenphantasie angestachelt. So etwas gibt es: Man macht einen Fehler, und anstatt daß einem die Phantasie eingibt, wie man diesen Fehler wiedergutmachen könnte, fallen einem nur lauter weitere Fehler ein, und man bekommt ein dringendes Bedürfnis, wenigstens einen dieser Fehler auszuprobieren. Und so war es auch bei Tantalos. Er wollte die Götter testen. Wollte sehen, ob sie auch außerhalb des Olymps solche mächtigen Wesen waren. Wollte wissen, ob sie tatsächlich allwissend sind.
    Er beging ein entsetzliches Verbrechen: Er schlachtete seinen Sohn Pelops, zerhackte ihn in Teile, warf ihn in einen Kessel, kochte ihn und setzte ihn den Göttern als Speise vor.
    Die Götter sind – um es mit dem Lieblingswort eines österreichischen Dichters zu sagen: naturgemäß sind sie allwissend. Sie wandten sich voll Ekel von dieser Speise ab. Nur Demeter aß ein Stück der linken Schulter des Pelops. Sie war verwirrt, ihre Gedanken waren bei ihrer Tochter Persephone, die erst vor kurzem von Hades geraubt worden war.
    Die Götter verließen das Haus des Tantalos, und sie verfluchten ihn. Den Kessel mit der Speise nahmen sie mit. Hermes bekam von Vater Zeus den Auftrag, den Pelops wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Demeter, die die Schulter verzehrt hatte, formte eine Schulter aus Elfenbein. So wurde Pelops nach göttlicher Rezeptur wieder zusammengesetzt. Er entstieg dem Kessel des Tantalos schöner, als er zuvor gewesen war.
    Auf der Stelle verliebte sich Poseidon in ihn. Er beschenkte ihn mit den schönsten Pferden, mit jenen berühmten fliegenden Pferden nämlich, die über das Meer fliegen konnten, und machte ihn zu seinem Bettgenossen.
    Tantalos aber wurde in die Hölle geschlagen, in den tiefsten Tartaros, der, wie es heißt, noch einmal so tief unter der Hölle liegt, wie der Himmel über der Erde ist. Aber eines bitte ich zu beachten: Nicht wegen des bestialischen Mordes an seinem Sohn wird Tantalos bestraft, sondern weil er die Götter versucht hat – weil er ihre Allwissenheit testen wollte!
     
    Pelops erbte die sagenhaften Reichtümer seines Vaters. Eine ganze Insel hat ihm gehört. Bis heute noch trägt diese Insel seinen Namen – Peloponnes, die Insel des Pelops.
    Nun wird dieser Pelops, könnte man annehmen, sich so benehmen, daß der Fluch der Götter ihn nicht auch noch trifft, weiß er doch, was einem dann blüht. Aber das ist ein Irrtum …
    Pelops, der Sohn des Tantalos, hatte einen weißen Fleck an der linken Schulter, dort schimmerte der Elfenbeinknochen durch, der ihm eingesetzt worden war. Diesen weißen Fleck vererbte er auf seine Kinder und auf seine Kindeskinder. Daran konnte man die Nachfahren des Pelops erkennen. Und alle waren sie verflucht.
    Pelops verliebte sich eines Tages in Hippodameia, die Tochter des Königs Oinomaos. Poseidon wird das vielleicht nicht so gerne gesehen haben, daß sich sein Schatz in eine Frau verliebte, aber er ließ es dann doch geschehen, vielleicht hatte er auch schon genug von Pelops. Ein Gott lebt ja außerhalb der Zeit, seine Affären dauern ebenso einen Augenblick wie eine Ewigkeit.
    König Oinomaos wollte seine Tochter nicht hergeben, er wollte sie nicht verheiraten. Manche Erzählungen behaupten, es sei ihm geweissagt worden, sein Schwiegersohn werde ihn töten, andere wissen davon, daß er selbst in Hippodameia verliebt gewesen sei. Wie auch immer, er machte es seiner

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