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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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den Dulder nach sieben Jahren endlich aus dem Gefängnis ihrer sexuellen Reize freiläßt. Sie liebt Odysseus wirklich, aber was bleibt ihr anderes übrig, als sich dem Willen des Zeus zu beugen.
    Odysseus baut sich mit Kalypsos Hilfe ein Floß, begibt sich hinaus aufs Meer, und prompt taucht der Gott des Meeres, Poseidon, auf, sein ärgster Feind, und zerschlägt ihm auch dieses Floß.
    Nackt, wie er auf die Welt gekommen ist, so strandet Odysseus, dem Tode nahe, auf Scheria, der Insel der Phäaken. Er verkriecht sich ins Unterholz und denkt sich: »Soll so der große Held Odysseus enden?«
    Aber am nächsten Tag spielt die Königstochter Nausikaa mit ihren Freundinnen am Strand, und sie finden den Schiffbrüchigen. Nausikaa ist von Liebe und von Mitleid erfüllt für diesen armen Mann. Sie gibt ihm ein Gewand und führt ihn an den Hof ihres Vaters.
    Die Phäaken sind ein berühmt gastfreundliches Volk, sie geben ein Fest für den Fremdling. Es gibt dort einen Brauch, und ich glaube, es ist ein sehr schöner Brauch: Man darf einen Menschen erst nach seinem Namen fragen, nachdem er gegessen und getrunken hat. Man muß ihm die Gastfreundschaft vorurteilsfrei und ohne Wissen seiner Person und seiner Herkunft gewähren.
    Alkinoos, der König der Phäaken, gibt ein großes Fest für einen armen Schiffbrüchigen. Bei diesem Fest tritt ein Sänger auf, der trägt Lieder vor, Heldenballaden. Unter anderem singt er vom Untergang Trojas. In seinem Lied kommt Odysseus vor, und siehe da, der Gast beginnt zu weinen.
    Der König fragt: »Warum weinst du? Sag uns nun, wer du bist!«
    Odysseus gibt sich zu erkennen, er sagt: »Ich bin ebendieser Odysseus, von dem dieses Lied erzählt.«
    Alle sind erstaunt, voll Mitleid, gerührt und neugierig, und der König sagt: »Erzähl uns deine Geschichte. Was ist mit dir passiert?«
    Nun beginnt Odysseus zu erzählen. Er erzählt seine Geschichte dem König der Phäaken, aber gleichzeitig erzählt er sie uns, den Lesern, denn der ganze mittlere Teil der Odyssee, in dem die Irrfahrt des Helden beschrieben wird, die Abenteuer, die er erlebt hat, diesen Teil hat Homer in der Form der Ich-Erzählung gehalten. Mag sein, daß sich Homer gedacht hat: »Was er hier erzählt, der erfindungsreiche Odysseus, das ist alles Seemannsgarn, dafür übernehme ich keine Verantwortung, das soll er selber erzählen.«
    Odysseus erzählt von der Begegnung mit dem einäugigen Riesen Polyphem. Wie er und einige seiner Männer von Polyphem in die Höhle gesperrt werden, wie der einen nach dem anderen von ihnen auffrißt. Und Odysseus erzählt auch, wie er den Polyphem besiegt hat.
    Er gab ihm Wein zu trinken, er sagte: »Hier, das wird dir schmecken, das paßt gut zu Menschenfleisch.«
    Polyphem trank, und der Wein schmeckte ihm. Er trank noch einen Schlauch und noch einen, und er versprach dem Odysseus, daß er ihn als Dank dafür als letzten auffressen würde.
    Bevor er völlig betrunken ist, fragt Polyphem: »Du, sag mir doch deinen Namen, ich möchte wissen, wer mir dieses wunderbare Getränk gegeben hat.«
    Odysseus antwortet: »Mein Name ist Utis.«
    Das ist griechisch und heißt soviel wie »Niemand«. »Niemand ist mein Name.«
    Dann fällt Polyphem auf den Boden und ist ohnmächtig, stinkbesoffen. Die Kameraden des Odysseus wagen sich nun mit einem spitzen Pfahl heran und stechen dem Riesen sein einziges Auge aus. Der Zyklop brüllt vor Schmerzen auf.
    Seine Brüder, die auch auf dieser Insel in Höhlen leben, kommen gelaufen und fragen: »Was ist denn los?«
    Polyphem schreit: »Niemand hat mir das Augenlicht genommen, Niemand hat mich geblendet!«
    Die Brüder denken: »Jetzt ist er verrückt geworden«, und gehen wieder.
    Wir sehen, daß sich Homer, der gefinkelte Dichter, und Odysseus, sein Erzähler, hier einen alten Kinderwitz erlauben. Ich erinnere mich an einen ähnlichen Witz, der ging so: Aus einem Haus schauen drei Männer, der eine heißt Blöd, der andere heißt Niemand, und der dritte heißt Keiner. Der Niemand spuckt dem Blöd auf den Kopf. Herr Blöd geht zur Polizei und sagt: »Niemand hat mir auf den Kopf gespuckt, und Keiner hat es gesehen.« Die Polizisten fragen: »Sind Sie blöd?«, und er sagt: »Ja.«
    Nachdem Odysseus und seine Kameraden den Polyphem überwunden hatten und mit einer weiteren List aus der Höhle fliehen konnten, landen sie als nächstes auf der Insel der Zauberin Kirke. Die verwandelte des Odysseus Kameraden in Schweine, ihn selbst verschonte sie. Sie wollte den

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