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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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ganzen Welt verbreitet. Es wurden ihm zu Ehren Wettkämpfe veranstaltet. Er fragte nach seinem Großvater, dem König, aber der war nirgends anzutreffen.
    Er saß mit seiner Mutter und seiner Frau auf den besten Plätzen im Stadion, wie ein neuer König wurde er behandelt, und er schaute den Spielen zu. Plötzlich packte ihn der Wetteifer, und er bat, ob er wenigstens einmal den Diskus werfen dürfe, außer Konkurrenz nur. Das wurde ihm gern gewährt. Er griff sich einen Diskus, holte aus und warf. Ganz bestimmt hätte er in dieser Disziplin gewonnen. Die Scheibe flog weit, weit über das Feld hinaus, wurde wahrscheinlich von einer göttlichen Kraft gelenkt, flog weit und fiel irgendwo in die Menge.
    Schon war ein Aufschrei zu hören: »Der König ist tot!«
    Man sah nach, und tatsächlich: Der Diskus des Perseus hatte seinen Großvater Akrisios getroffen, der sich vor Perseus versteckt hatte, im Gedenken an den Orakelspruch, sein Enkel werde ihn töten.
    Aber es war kein Mord, es war ein Versehen, ein Unglücksfall. Die Götter drehten dem liebenswerten Perseus keinen Strick daraus, und auch das Volk warf ihm nichts vor, im Gegenteil, es wünschte sich Perseus als neuen König und Andromeda als seine Königin.
    Perseus lebte von nun an in Ruhe bis an das Ende seines Lebens. Er und Andromeda waren sich treu, was sehr selten ist in der Welt der griechischen Sagen, und als sie starben, wurden sie als Sternbilder an den Himmel gehoben – Perseus als ein gewaltiges Bild, Andromeda als ein kleiner, unscheinbarer Stern, der sich bei näherem Hinsehen als eine riesige Galaxis zu erkennen gibt, die 1,7 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist und einen Durchmesser von stolzen hunderttausend Lichtjahren hat.

Tantalos und sein Sohn
    Von der Götterspeise – Von einem grausamen Test –
Von Pelops und Hippodameia – Von Myrtilos, dem
Wagenlenker – Von Flüchen
     
     
    Das Schattenreich ist das Paradies der Phantasten. So hat es Immanuel Kant einmal ausgedrückt. Tatsächlich haben sich die Romantiker aller Zeiten auf diese Schatten gestürzt, haben sich von der Dunkelheit angezogen gefühlt. Aber dieses Schattenreich ist auch der Quell aller Ängste, die christliche Religion hat die Hölle daraus gemacht, und das heilige Rom hat hier seine einträglichsten Provinzen.
    Im Hades, so wird das Schattenreich nach seinem König genannt, gibt es einige Heldenfiguren, die eine besondere Behandlung erfahren. Da ist zum Beispiel Sisyphos. Sein Name ist zum Begriff geworden. Er muß einen schweren Stein auf einen Berg wälzen, der immer wieder auf der anderen Seite herunterrollt, er muß ihn abermals hinaufwälzen, und wieder rollt er hinunter, und so weiter in alle Ewigkeit. Er ist das Urbild des Zwangsneurotikers.
    Da sind die Danaiden, das sind jene fünfzig Frauen, die in der Hochzeitsnacht ihren Männern mit langen Nadeln die Herzen durchstochen haben. Sie müssen durchstochene Krüge mit Wasser zu einer Wanne tragen. Wenn sie an ihrem Ziel angekommen sind, ist das Wasser herausgelaufen, und sie müssen noch einmal von vorne anfangen.
    Diese Arbeit ist vielleicht nicht schwer, aber sie ist sinnlos, absurd. Die Sinnlosigkeit war für die Griechen der Begriff für die Hölle. Ich weiß nicht, was sie sagen würden, wenn sie heute in eine normale Fabrik gingen und sich dort umschauten. Ob sie diese Arbeit an die Quälereien im Hades erinnerte?
    Der Prominenteste neben Sisyphos, der im Hades gequält wurde, ist Tantalos. Seine Qualen sind bis heute sprichwörtlich – man spricht von Tantalusqualen. Wir sehen ihn: Er steht im Wasser, das Wasser reicht ihm bis zur Hüfte, und er hat großen Durst. Wenn er sich niederbeugt, um zu trinken, dann sickert das Wasser vor ihm ab. Er hat großen Hunger, über ihm hängen Äste, schwer beladen mit den besten Früchten. Wenn er danach greifen will, bläst ein Wind die Äste beiseite.
    Was hat der Tantalos angestellt, daß er so sprichwörtlich für alle Zeiten – denn das muß dazu gesagt werden: Tantalos ist unsterblich – gequält wird? Die anderen Schatten verblassen mit der Zeit, das heißt, sie verlieren das Bewußtsein ihrer Lage. Tantalos ist seiner Qualen immer gewärtig.
    Tantalos ist ein Sohn des Zeus. Er durfte als Kind, weil Zeus ihn besonders geliebt hat, oben im Olymp mit den Göttern an einem Tisch sitzen. So konnte er die Gespräche der Götter belauschen, und wer die Gespräche der Götter belauscht, wird, so will es die Mythe, unsterblich. Er hat vom Nektar getrunken und

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