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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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nicht schmälern.
    Peleus hat also vor der Grotte auf Thetis gelauert. Sie kam auf dem Delphin reitend daher, legte sich nieder, und Peleus stürzte sich auf sie. Da verwandelte sich Thetis in einen Feuerball und verbrannte ihm die Haut, aber er ließ sie nicht los. Sie verwandelte sich in eine Bärin und kratzte ihm die eben wundgebrannte Haut vom Körper. Aber Peleus ließ sie nicht los. Als sie sah, daß dieser Liebhaber sie so feurig begehrte, gab sie nach und umarmte ihn.
    Das sahen die Götter, und sie sagten: »Jetzt können wir auch zu eurer Hochzeit kommen.«
    Schon einmal waren die Götter zu einer Hochzeit auf die Erde herabgestiegen; erinnern wir uns: Es war, als Kadmos die Harmonia heiratete. Nun geschah es zum zweiten Mal – und es war auch das letzte Mal.
    Sie kamen und brachten prächtige Geschenke mit. Dem Peleus schenkten sie ein paar unsterbliche Pferde. Es ist gar nicht auszudenken, was für ein Geschenk das war! Sie schenkten ihm aber auch noch eine goldene Rüstung, die schönste Rüstung, die je gemacht worden war. Geschmiedet hatte sie natürlich kein anderer als Hephaistos, der Alleskönner.
    Es war ein wunderbares, einzigartiges Fest. Alle Götter waren gekommen, nur eine Gottheit war nicht eingeladen worden, nämlich Eris, die Göttin der Zwietracht. Wer lädt schon die Zwietracht zu seinem Hochzeitsfest ein?
    Und wie wir es auch aus den Märchen der Brüder Grimm kennen: Das hat die Übergangene sehr ergrimmt. Und sie ist dann doch erschienen. Gerade nach dem Essen, als die Herrschaften noch bei einem Gläschen zusammen standen, kam sie zur Tür herein. Sie hatte auch etwas mitgebracht. Sie blickte sich um und sah die drei Göttinnen, Athene, Hera und Aphrodite, viel bedeutendere Göttinnen, als sie eine war, beieinander stehen, miteinander plaudern. Da schlich sie sich in ihre Nähe und packte ihr Geschenk aus, es war ein goldener Apfel. Diesen goldenen Apfel rollte sie auf dem Boden in Richtung auf diese drei Göttinnen zu, und dann verließ sie laut lachend den Saal.
    Es trat Ruhe ein. Alle sahen, Eris war gekommen, und alle wußten, es wird nun etwas Schreckliches geschehen.
    Peleus, der Bräutigam, hob schnell den goldenen Apfel auf. Den Göttinnen war ja nicht zuzumuten, daß sie sich bückten. Peleus schaute den Apfel an und las, was in seine Schale eingraviert war.
    Dort stand nämlich: »Für die Schönste.«
    Ach, wäre dieser Peleus doch klug genug gewesen und hätte sich aus der Affäre winden können, hätte zum Beispiel gesagt: »Ich möchte um Verständnis bei den anwesenden Göttinnen bitten. Ich möchte diesen Apfel an meinem Hochzeitstag selbstverständlich meiner Frau überreichen.« Alle hätten es verstanden, hätten es als eine charmante Geste empfunden.
    Aber Peleus verfügte über keinerlei Klugheit, über keinerlei Charme. Er stand wie eingepflockt, blickte zu den drei Göttinnen und sagte: »Entschuldigung, eine Frage: Welche von euch dreien ist die Schönste? Den Apfel hier, den muß ich, glaub’ ich, weitergeben.«
    Da schritt schnell Zeus ein und sagte: »Nein, nicht Peleus, der Bräutigam, soll diese verdammte Entscheidung treffen. Wie kommt er dazu!«
    Zeus nahm den Apfel an sich und sagte: »Ein anderer soll entscheiden, wer von euch dreien, Aphrodite, Hera, Athene, die Schönste ist.«
    Die Menschen haben kein Glück mit den Göttern, die Götter kein Glück mit den Menschen. Erst hatte Zeus einen Gemahl für Thetis gesucht, jetzt suchte er einen Schiedsrichter.
    Sein Blick fiel auf Paris, einen der Prinzen von Troja. Er war der Sohn des Priamos und der Hekabe. Paris, als er noch im Mutterleib war, verursachte einige Aufregung im Hause seiner Eltern, denn bevor er geboren wurde, hatte seine Mutter einen Traum. Hekabe träumte, sie gebäre ein Holzscheit, aus dem brennende Schlangen hervorbrechen.
    Ihr Traum wurde gedeutet, und der Seher sagte zu ihr: »Du mußt das Kind sofort nach der Geburt töten lassen. Denn dieser Traum heißt: Das Kind wird Unglück und Feuersbrunst über die Stadt bringen.«
    Es wurde beschlossen, den Prinzen zu töten.
    Wir kennen die ähnliche Geschichte von Ödipus. Der Knecht, der Paris hätte töten sollen, brachte es auch nicht übers Herz. Er übergab das Kind einer Bärin, und die zog ihn auf. Paris wuchs schließlich bei Hirten auf. Als er ein junger Mann war, wurde er von seinen königlichen Brüdern erkannt und freudig zu Hause aufgenommen. Soweit seine Vorgeschichte.
    Warum Zeus ausgerechnet ihn zum Schiedsrichter

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