Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)
Da wunderten sie sich woher er wisse daß sie der König ausgelacht hatte; doch er pfiff weiter in seinem Liede und dachte »Wundert euch nur! Was ich weiß wißt ihr doch nicht .«
Der zweite Tag kam heran, und der Vater ritt mit den beiden klugen Söhnen wieder zum Glasberge. Der dumme Wirrschopf aber sollte unterdeß den Taubenschlag rein machen. Doch kaum waren sie aus dem Hofe, so lief er in sein Schloß; und das graue Männchen brachte ihm noch schönere Kleider als das erste Mal: er schwang sich auf sein weißes Roß und sprengte durch den Wald. Und am Fuße des Berges traf er wieder viele hundert Ritter; die setzten immer an, doch die Pferde glitten aus. Er aber sauste wie ein Wind durch sie hindurch, und sein Roß trug ihn bis dicht unter den Gipfel des Berges: da glitt es auch ab, und wie das erste Mal jagte er ohne ein Wort zu sprechen in den Wald zurück, und seine eignen Brüder erkannten ihn nicht. Daheim aber fand er den Taubenschlag so rein, wie er noch nie gewesen war. – Am dritten Tage gab das graue Männchen dem Burschen die schönsten Kleider, die man je in dem Lande gesehen hatte. Es zäumte ihm sein schwarzes Roß, und als er auf dem über die Heide zum Glasberge geritten kam, staunten der König und alle Ritter; denn das Roß berührte den Boden kaum, und mit wenigen Sprüngen war es oben auf der Spitze des Berges. Da jauchzte das ganze Volk rings um den Berg, und sie riefen ihn zum Könige aus, und die Prinzessin umarmte ihn und sprach »Nun bist du mein Bräutigam !« Doch er küßte sie nur einmal und ritt dann schnell wieder den Berg hinab. Die Ritter des Königs sperrten ihm den Weg, weil der König erfahren wollte wer der fremde Prinz sei, der seine Tochter erlöst hatte; doch gab er seinem Rosse die Sporen, und mit einem Satze flog es über die Ritter hinweg und verschwand im Walde. Auf dem Hofe seines Vaters aber hatte das graue Männchen indessen den Hühnerstall ausräumen müssen. Und als der Vater und die Brüder heim kamen, trösteten sie einander und sprachen »Wenn wir auch keine Könige sind, so sind wir doch klüger als andre Leute .«
Nun war die Prinzessin erlöst, doch sie war den ganzen Tag traurig, weil sie den fremden Prinzen gern zum Gemahl genommen hätte und nicht wußte wo er war. Da ließ der König in seinem Lande und in der ganzen Umgegend verkündigen, in drei Wochen solle sich der fremde Prinz melden, der seine Tochter befreit habe; da solle die Hochzeit gehalten werden. Doch es kam Niemand, und die Prinzessin wurde immer betrübter. Des Königs Räthe aber sprachen »Vielleicht war es gar kein Prinz: darum rathen wir daß ihr in allen Dörfern und Städten ein Aufgebot ergehen laßt, alle jungen Burschen sollen sich am nächsten Pfingstsonntag versammeln; dann kann die Prinzessin suchen ob sie ihren Bräutigam unter ihnen findet.« Der Rath gefiel dem Könige , und er ließ das Aufgebot ergehen. Und zu Pfingsten fuhr er mit der Prinzessin in allen Dörfern und Städten umher, und sie sah viele hundert Burschen, doch ihr Bräutigam war nicht darunter. Da kamen sie auch in das Dorf, in welchem der Bauer mit den drei Söhnen wohnte: und als der König die Burschen erblickte, fragte er ob nicht noch mehr im Dorfe seien. »Einer ist noch zu Haus« sagte der Bauer: »doch das ist ein Dummling und nicht werth daß euer königlich Gnaden und die schöne Prinzessin ihn ansehen .« Die Prinzessin aber befahl ihn auch zu holen. Und als sie nun den dummen Wirrschopf in der Ferne kommen sah, da hatte sie ihn bald an seinen langen, goldenen Haaren erkannt, und sie flog auf ihn zu, fiel ihm um den Hals und führte ihn zur königlichen Kutsche; und der König selbst machte den Kutschenschlag auf und hob ihn hinein. Da saß der dumme Wirrschopf nun auf den seidenen Polstern, und die schöne Prinzessin saß neben ihm und war seine Braut; und er grüßte seinen Vater und seine Brüder noch freundlich zum Abschied und fuhr mit dem Fräulein und dem Könige davon. Als sie in den Wald kamen, zeigte er ihnen sein Schloß, und weil es weit schöner war als das des Königs, blieben sie dort. Am andern Tage war Hochzeit, und das Märchen ist aus.
5. Die Königstochter und der Soldat.
Mündlich aus Gutenberg, Halle und Wettin.
Es ist Niemand so glücklich, daß er das Wünschen verlernte. Das erfuhr ein König und eine Königin wohl. Die lebten in aller Freude und Herrlichkeit der Welt und saßen doch oft traurig bei einander, denn sie hatten keine Kinder. Und
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