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Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Titel: Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Sommer
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graue Männchen führte ihn hinein, zeigte ihm alle die prachtvollen Säle und Gewölbe; und weil sie dem Wirrschopf gefielen und er dem Männchen Gnade verhieß, gab es ihm die Schlüssel des Schlosses und sprach »Wenn du jetzt auf deine Wiese kommst, wirst du alles Heu, das ich deinem Vater genommen habe, wieder finden. Ich aber will dein Kämmerer sein und dein Schloß getreu bewachen; und wenn du Etwas willst, so komm und fordre es nur .« Da nahm der dumme Wirrschopf die Schlüssel und band sie über dem Nacken in seinen langen, goldgelben Haaren fest, so daß sie Niemand sehen konnte; denn er dachte »Wenn ich meinem Vater und meinen Brüdern sage daß ich ein herrliches Schloß besitze, ziehen sie hinein, und mich sperren sie in den Taubenschlag, wo ich schon oft habe sitzen müssen.« Auf der Wiese fand er über hundert Heuschober und ging nun fröhlich nach Haus. Als seine Brüder ihn kommen sahen, lachten sie und sprachen »Da kommt der dumme Wirrschopf: seht wie er verschlafen aussieht; hat die ganze Nacht geschlafen und noch nicht genug. Da haben sich die Diebe Zeit nehmen können ,« und was dergleichen mehr war. Darüber wurde er nicht böse, sondern sagte freundlich zum Vater »Kommt mit hinaus; ich habe das Heu wieder gewonnen, das man euch in den vielen Jahren gestohlen hat .« Und nun war der Vater mit den Brüdern nicht wenig erstaunt, als sie auf die Wiese kamen und so viel Heu fanden, daß das ganze Dorf auf viele Jahre genug hatte.

    Nun geschah es zu einer Zeit daß der König des Landes überall ausrufen ließ, seine Tochter sei auf den Glasberg verwünscht, und wer den Berg hinauf reite und sie erlöse, der solle ihr Gemahl werden und das ganze Königreich bekommen. Es waren aber drei Tage in verschiedenen Monaten, an denen sie befreit werden konnte. Da sprach der Bauer zu den beiden klugen Söhnen »Es wär doch schön, wenn Einer von euch König würde und ich ein Königsvater. Wir wollen unsere Pferde nehmen und uns aufmachen: ihr seid so klug, vielleicht erlöst ihr die Prinzessin. Der dumme Wirrschopf mag indeß den Misthaufen aus dem Hofe aufs Feld schaffen .« Sie thaten ihre Sonntagskleider an und zogen zum Glasberge. Der dumme Wirrschopf aber ging zu seinem Schlosse, nahm die Schlüssel aus den Haaren und schloß auf; und das graue Männchen sprang ihm freudig entgegen und rief »Es ist gut daß du kommst: du sollst die verwünschte Prinzessin erlösen. Hier nimm dein braunes Roß, thu diese königlichen Gewänder an und reit auf den Glasberg .« Und es gab ihm prachtvolle Kleider, die von Gold und Silber stralten. Die legte der Bursch an und sagte »Du mußt aber unterdeß den Mist in meines Vaters Hofe aufs Feld bringen .« Das versprach das graue Männchen zu thun, und er ritt davon. Als er zum Glasberge kam, sah er den König und die Königin und viele hundert stattliche Ritter, die alle gar herrlich gekleidet waren; doch so schön wie er war Keiner: und sie hielten ihn für einen vornehmen Prinzen und fragten viel wer er wohl sein möchte; doch kannte ihn Niemand. Dicht am Berge traf er auch seine Brüder: die hatten Stufen in das Glas gehauen und wollten grade hinauf reiten; doch ihre Pferde überschlugen sich und warfen die Reiter ab. Und als diese wieder aufstanden, jammerten sie daß sie ihre schönen Sonntagskleider so beschmutzt hatten, und der König und die Ritter lachten sie aus. Der dumme Wirrschopf aber sprengte auf seinem braunen Rosse ohne abzusetzen gleich bis zur Mitte des Berges hinan, und Alle jubelten hinter ihm her; denn so hoch war noch Keiner gekommen: doch da glitt auch sein Roß ab, und wie ein Vogel flog es mit ihm über die Heide zu dem Schloß im Walde zurück.

    Als er nach Hause kam, fand er den Mist schön gespreitet auf dem Acker, und er dachte »Vielleicht geht es das nächste Mal besser ,« setzte sich in seinen alten, schlechten Kleidern auf die Ofenbank und pfiff sich Eins. Da kehrten auch seine Brüder und sein Vater heim, und sie sprachen viel von dem fremden Prinzen; und der Vater sagte »Aber ihr wart doch die klügsten von Allen: als ihr die Stufen ins Glas hiebet, dachte der König gewiß ›Wenn die meine Tochter nicht erlösen, muß sie immer verwünscht bleiben‹; doch das nächste Mal erlöst ihr sie bestimmt, und dann theilen wir das Königreich unter einander.« »Hütet euch nur« sprach der Wirrschopf dazwischen, »daß ihr die schönen Sonntagskleider nicht wieder beschmutzt und euch der König und die Ritter nicht auslachen .«

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