Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)
ihm zieht »der Schimmelreiter«, der in Erntegebräuchen häufiger ist, als lustige Person.
Nicht immer werden diese Feste zu Pfingsten gefeiert, sondern in einzelnen Dörfern an einem der Sonntage zwischen Pfingsten und Johannis oder am Johannistage selbst.
Johannis.
In den meisten sächsischen Dörfern und Städten flicht man in der Johannisnacht Kronen von Laub und Blumen, verziert sie mit Bändern und Tüchern und hängt sie am Johannismorgen vor die Häuser; und man sagt, in das Haus, vor welchem keine Johanniskrone hängt, kehrt das ganze Jahr kein Glück ein. – In den engeren Straßen von Halle, besonders in den Vorstädten, werden die Kronen an Schnüren quer über die Straße gehängt: die Kinder tanzen darunter, sperren den Vorübergehenden durch Blumengewinde oder Bänder den Weg und erhalten von ihnen ein kleines Geldgeschenk. In Leipzig trägt man Johanniskronen auf die Gräber. Am Johannisabend ist in den meisten Dörfern Musik und Tanz, in vielen auch Illumination. – Vom Johannisthau glaubt man daß er Kräuter und Blumen heilkräftig mache und gebraucht die Johanniskronen während des Jahres bei Krankheiten zu Thee.
In einzelnen Gegenden umbindet man in der Johannisnacht die Bäume mit Strohseilen und meint daß dann das Obst, welches sie tragen, nicht unreif abfallen könne.
Die Zeit zwischen Johannis und der Ernte.
Das beliebteste Spiel ist während dieser Zeit »Die Räuberbande suchen .« Die Burschen des Dorfes theilen sich in zwei Schaaren: die Einen vermummen sich ganz schwarz, die Andern bunt, gewöhnlich weiß und roth. Die Schwarzen heißen die Räuber: sie rauben zwei Mädchen, die »verwünschte Prinzessin« und ihr »Kammerfräulein«, und verstecken sich mit ihnen im Walde. Die Andern setzen ihnen nach, finden sie im Gebüsch, und nun kämpfen beide Schaaren mit einander: auf die Räuber wird mit blindgeladenen Flinten und Pistolen geschossen; sie müssen sich gefangen geben, und man führt die Prinzessin und ihre Dienerin mit Musik jubelnd ins Dorf. Hier folgt ein Tanz, bei welchem die Hauptleute der beiden Schaaren zuerst einmal allein herum tanzen. – In einzelnen Dörfern, wie in Dölau bei Halle, fehlt die Dienerin der verwünschten Prinzessin. In anderen, wie in Helfta und Oberrießdorf, heißen die, welche die Prinzessin rauben, die wilden Jäger: sie kleiden sich ganz grün mit langen Bärten, und zwei von ihnen machen sich künstliche Köpfe, die ihnen, wenn sie gefangen sind, abgehauen werden.
In Dederstedt hat man neben diesem Spiele noch ein zweites, welches man »Die Prinzessin erlösen« nennt. Die Prinzessin, gewöhnlich ein verkleideter Bursche, versteckt sich im hohen Korne: die Dorfschaft zieht aus sie zu suchen; und wenn sie gefunden ist, schießen die Burschen blind nach ihr. Während des Schießen reißt sie sich die Verkleidung ab; doch wenn es ein Bursche ist, hat er noch andre Frauenkleider darunter: und nun jubelt man daß die Prinzessin erlöst sei und führt sie mit Musik in das Dorf.
Zu Lettin, eine kleine Meile von Halle, baut man an einem der Sonntage zwischen Johannis und der Ernte eine Laube auf einem breiten Floße auf der Saale. Am Eingange der Laube steht ein stattlicher, bunt gekleideter Bursche mir einer Schilfkrone auf dem Haupte, »der Wasserkönig«, und in der Laube, an den vier Ecken derselben, sitzen vier »Nixe«, welche rudern. Nun kommen auf vielen Kähnen die übrigen Burschen des Dorfes heran, schießen mit blindgeladnen Gewehren und schlagen und stechen mit Stangen nach der Laube. Dies währt etwa eine Stunde; dann wird das Floß in Brand gesteckt, und der Wasserkönig stürzt sich mit den Nixen in den Fluß. Er schwimmt ans Land, und nun zieht man in die Schenke zum Tanz. Unter den Burschen, welche gegen den Wasserkönig ziehen, ist einer als Hanswurst gekleidet: er sitzt während des Spieles in einer großen Wanne auf der Saale, rudert mit den Händen und sucht die Zuschauer zu belustigen.
Noch näher an den Gebrauch »Die Räuberbande suchen« kommt das Fischerstechen in Giebichenstein und das Spiel »Die Seejungfer suchen« auf dem mansfelder salzigen See. Bei dem ersteren wird auf einem Floße eine Hütte von Laub und Stroh gebaut, in welcher sich Verkleidete verbergen. Andre kommen auf Kähnen ihnen entgegen. Sie kämpfen lange mit einander; doch endlich wird von den Kähnen Feuer in die Hütte geworfen. Wie das Stroh hell zu brennen anfängt, springen die auf dem Floße Stehenden in die Saale;
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