Sagen von der Alhambra (German Edition)
Händen?« fragte der Alcalde.
»Das Kostbarste«, sagte der Maure, »ist noch zurück, – eine große, mit Stahlbanden geschlossene Kiste voller Perlen und Edelsteine.«
»Wir müssen diese Kiste haben, es koste, was es wolle«, rief der habsüchtige Alcalde.
»Ich werde nicht mehr hinabgehen«, sagte der Maure verdrießlich; »genug ist genug für einen Vernünftigen, – mehr ist überflüssig.«
»Und ich«, sagte der Wasserträger, »werde keine Last mehr herauftragen, meines armen Esels Rücken zu brechen.«
Da der Alcalde Befehle, Drohungen und Bitten gleich vergeblich fand, wendete er sich zu seinen Getreuen. »Helft mir«, sagte er, »die Kiste herausbringen, und ihr Inhalt soll unter uns getheilt werden.« Bei diesen Worten stieg er die Treppen hinab, und zitternd und widerstrebend folgten ihm der Alguacil und der Barbier.
Der Maure sah sie kaum in der Tiefe, so verlöschte er die gelbe Kerze; der Boden schloß sich mit dem gewöhnlichen Schall, und die drei Helden blieben im Schooße der Erde vergraben.
Er eilte jetzt die verschiedenen Treppen hinauf und holte erst Athem, als er unter freiem Himmel war. Der kleine Wasserträger folgte ihm so schnell, als seine kurzen Beine es gestatteten.
»Was hast du gethan«, rief Peregil, sobald er Athem geholt hatte. »Der Alcalde und die andern Zwei sind in dem Gewölbe eingeschlossen.«
»Es ist der Wille Allahs!« sagte der Maure fromm.
»Und willst du sie nicht wieder befreien?« fragte der Gallego.
»Gott bewahre!« versetzte der Maure und strich sich den Bart. »Es steht in dem Buche des Schicksals geschrieben, sie sollen verzaubert bleiben, bis irgend ein künftiger Abenteurer den Bann bricht. Der Wille Gottes geschehe!« Mit diesen Worten schleuderte er das Ende der Wachskerze weit weg in das dunkle Dickicht des Thales.
Jetzt war nicht mehr zu helfen, und der Maure und der Wasserträger schritten denn mit dem reich beladenen Esel der Stadt zu. Der gute Peregil konnte sich nicht enthalten, seinen langöhrigen Arbeitsgenossen, den er so aus den Krallen der Gerechtigkeit gerettet sah, zu streicheln und zu küssen, und es steht wirklich dahin, was dem einfältigen Burschen in dem Augenblicke mehr Freude machte, das Gewinnen des Schatzes oder das Wiederfinden seines Esels.
Die zwei Glücksbrüder theilten ihre Beute freundschaftlich und redlich, nur daß der Maure, der einige Liebhaberei an Flitterstaat hatte, es einzurichten wußte, daß die Perlen, Edelsteine und anderer Tand stets auf seinen Haufen kamen; aber dann gab er dem Wasserträger immer statt der kostbarsten Edelsteine gediegenes Gold, fünfmal so viel, womit der Letztere herzlich zufrieden war. Sie waren bedacht, sich keinen Unannehmlichkeiten auszusetzen, sondern begaben sich in andere Länder, um sich ihres Reichthums zu erfreuen. Der Maure kehrte nach Afrika in seine Vaterstadt Tetuan zurück, und der Gallego begab sich mit Frau und Kindern und seinem Esel nach Portugal. Hier wurde er unter dem Schutz und Schirm seiner Frau ein Mann von einiger Wichtigkeit; denn sie sorgte, daß der lange Körper und die kurzen Beine des würdigen kleinen Mannes mit Wamms und Hosen geschmückt wurden, setzte ihm einen Federhut auf, steckte ihm ein Schwert an die Seite und ließ ihn seinen vertraulichen Namen Peregil mit dem wohlklingenderen Titel Don Pedro Gil vertauschen. Seine Nachkommenschaft wuchs gedeihlich und fröhlichen Herzens heran, während Señora Gil, von Kopf bis zu den Füßen befranzt, bespitzt und betrottelt, und mit Ringen an allen Fingern einherging, das Muster einer schlumpigen Mode-und Putzdame wurde.
Was den Alcalden und seine Getreuen betrifft, so blieben sie unter dem großen Thurme der sieben Stockwerke vergraben und sind dort heute noch festgebannt. Wenn es jemals in Spanien an kupplerischen Barbieren, gaunerhaften Alguacils und bestechlichen Alcalden fehlt, kann man sie dort suchen; wenn sie aber so lange auf ihre Erlösung warten sollen, dann droht ihre Verzauberung bis zum jüngsten Tage zu währen.
Sage von der Rose der Alhambra, oder der Page und der Geierfalk
Nachdem die Mauren Granada übergeben hatten, war diese herrliche Stadt eine Zeitlang der Lieblingsaufenthalt der spanischen Könige, bis sie durch rasch auf einander folgende Erdbeben, welche viele Häuser niederstürzten und die alten moslemitischen Thürme bis in ihre Tiefe erschütterten, von dort verscheucht wurden.
Viele, viele Jahre vergingen nun, und Granada wurde während der Zeit nur selten mit
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