Sagen von der Alhambra (German Edition)
gesprenkelte Katze, daneben eine Seidenwinde nebst andern Gegenständen weiblicher Arbeit, und eine Guitarre, mit Bändern geziert, war an den Brunnen gelehnt.
Ruyz de Alarcon staunte über diese Spuren weiblicher Zierlichkeit und Anmuth in einem einsamen und, wie er geglaubt hatte, verlassenen Thurme. Sie erinnerten ihn an die in der Alhambra umlaufenden Märchen von verzauberten Sälen, und die gesprenkelte Katze mochte wohl eine bezauberte Prinzessin sein.
Er klopfte leise an der Thüre. Ein schönes Gesicht schaute oben aus einem kleinen Fenster, zog sich aber schnell wieder zurück. Er wartete, in der Hoffnung, die Thüre würde geöffnet werden; allein sein Harren war umsonst, kein Fußtritt ließ sich drinnen hören, – Alles blieb stumm. Hatten ihn seine Augen getäuscht, oder war die holde Erscheinung die Fee des Thurmes? Er klopfte wiederholt und lauter. Nach einer kleinen Weile blickte das strahlende Gesicht wieder heraus; es war das eines blühenden fünfzehnjährigen Mädchens.
Der Page nahm augenblicklich seine mit Federn geschmückte Mütze ab und bat in den höflichsten Ausdrücken um die Erlaubniß, den Thurm besteigen zu dürfen, um seinen Falken zu holen.
»Ich darf die Thüre nicht öffnen, Señor«, erwiederte das kleine Mädchen erröthend; »meine Tante hat es verboten.«
»Ich bitte Euch, schöne Maid, – es ist der Lieblingsfalke der Königin; ich darf ohne ihn nicht in den Palast zurückkehren.«
»Ihr seid also einer der Hofkavaliere?«
»So ist’s, schöne Maid; allein ich werde um die Gunst der Königin und um meine Stelle kommen, wenn ich den Falken verliere.«
»Santa Maria! Vor euch Hofkavalieren hat mir meine Tante ganz absonderlich befohlen, die Thüre zu verriegeln.«
»Ohne Zweifel vor schlechten Kavalieren; aber ich bin kein solcher, sondern ein einfacher, harmloser Page, der unglücklich und elend sein wird, wenn Ihr mir die kleine Bitte versagt.«
Das Unglück des Pagen rührte das Herz des kleinen Mädchens. Es wäre doch gar zu Schade gewesen, wenn er durch die Verweigerung einer so unbedeutenden Bitte um seine Stelle gekommen wäre. Er konnte auch gewiß keines jener gefährlichen Wesen sein, welche ihre Tante als eine Art Kannibalen, stets bereit, gedankenlose Mädchen zu ihrem Raube zu machen, geschildert hatte; er war sanft und bescheiden, und stand so bittend da mit der Mütze in der Hand, und sah so schön aus.
Der schlaue Page sah, daß die Besatzung zu wanken anfing, und verdoppelte seine Bitten in so rührenden Ausdrücken, daß es nicht in der Natur eines sterblichen Mädchens gewesen wäre, ihn abzuweisen. So kam denn die kleine erröthende Wächterin des Thurmes herab und öffnete die Thüre mit bebender Hand; und war der Page bei dem flüchtigen Anschauen ihres Gesichtes vom Fenster herab entzückt gewesen, so wurde er jetzt, als die ganze Gestalt sich ihm darstellte, ganz hingerissen.
Ihr andalusisches Leibchen und die hübsche Basquina hoben das volle, aber zarte Ebenmaß ihrer Gestalt hervor, die ihre jungfräuliche Ausbildung eben erreicht hatte. Ihr glänzendes Haar war auf der Stirn mit gewissenhafter Genauigkeit getheilt und, dem allgemeinen Gebrauche des Landes zufolge, mit einer frisch gepflückten Rose geschmückt. Es ist wahr, ihr Gesicht war von Glut einer südlichen Sonne etwas gebräunt, aber dieß diente nur dazu, die reiche Blüthe ihrer Wangen zu zeigen und den Glanz ihrer schmelzenden Augen zu erhöhen.
Ruyz de Alarcon sah alles dieß auf einen Blick; denn es kam ihm nicht zu, zu zögern; er murmelte nun seinen Dank und sprang leicht die Wendeltreppe hinauf, um nach seinem Falken zu sehen.
Bald kam er, den flüchtigen Vogel auf seiner Faust, zurück. Das Mädchen hatte sich indessen an den Brunnen im Saale gesetzt und wand Seide; aber in ihrer Erregung ließ sie die Winde auf die Erde fallen. Der Page sprang herzu und hob sie auf, ließ sich anmuthig auf die Kniee nieder und bot sie ihr dar; aber er faßte die danach langende Hand und drückte einen glühendern und inbrünstigern Kuß darauf, als er je der schönen Hand seiner Gebieterin aufgedrückt hatte.
»Ave Maria, Señor!« rief das Mädchen, vor Verwirrung und Ueberraschung noch höher erröthend; denn sie war nie auf diese Weise begrüßt worden.
Der bescheidene Page entschuldigte sich tausendmal, und versicherte sie, dieß sei bei Hofe die Weise, die tiefste Ehrfurcht und Achtung zu bezeigen.
Ihr Zorn, wenn sie ja zornig war, wurde leicht besänftigt; allein ihre
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