Sag's Nicht Weiter, Liebling
vermessen. »Sehr hübsch«, sagt er zu Jemima. »Wissen Sie was, wir könnten ein Begleitinterview machen. Meine heiße Affäre mit dem Oberboss. Da können Sie richtig Geld mit machen«, fügt er an mich gerichtet hinzu.
»Nein!«, sage ich entsetzt.
»Emma, jetzt zier dich doch nicht so!«, faucht Jemima. »Du
willst es doch eigentlich auch. Das könnte dir eine völlig neue Karriere eröffnen!«
»Ich will überhaupt keine neue Karriere!«
»Solltest du aber! Weißt du nicht, was Monica Lewinsky im Jahr verdient?«
»Du bist doch krank«, sage ich ungläubig. »Du bist total krank, pervers …«
»Emma, ich tue das doch nur für dich.«
»Tust du nicht!«, schreie ich mit feuerrotem Gesicht. »Ich … vielleicht versöhne ich mich wieder mit Jack!«
Es entsteht eine halbe Minute Schweigen. Ich starre sie mit angehaltenem Atem an. Dann ist es plötzlich, als ob der Killer-Roboter wieder anspringt und noch wilder um sich ballert.
»Dann erst recht! «, sagt Jemima. »Dann hält ihn das schön auf Trab. Da weiß er gleich, wer der Boss ist. Machen Sie weiter, Mick.«
»Interview mit Emma Corrigan. Dienstag, 15. Juli, 21.40 Uhr.« Ich sehe auf und werde starr vor Schreck. Mick hat einen kleinen Kassettenrekorder hervorgezaubert, den er mir vor die Nase hält.
»Sie haben Jack Harper im Flugzeug kennen gelernt. Können Sie uns nochmals sagen, von wo nach wo dieser Flug ging?« Er lächelt mich an. »Sprechen Sie ganz natürlich, wie mit einer Freundin am Telefon.«
»Hören Sie auf!«, schreie ich. »Hauen Sie ab! Gehen Sie!«
»Emma, werd endlich erwachsen«, sagt Jemima ungeduldig. »Mick wird dieses Geheimnis sowieso herausbekommen, ob du ihm hilfst oder nicht, also kannst du genauso gut …« Sie unterbricht sich, als der Türknauf erst klappert und sich dann herumdreht. Um mich herum verschwimmt alles.
Bitte, lass das nicht - bitte -
Als die Tür langsam aufgeht, kann ich nicht atmen. Ich kann mich nicht rühren.
In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so eine Angst gehabt.
»Emma?«, sagt Jack und kommt herein, zwei Gläser Wasser in der Hand. »Geht es dir besser? Ich habe stilles und kohlensäurehaltiges Wasser mitgebracht, weil ich nicht wusste …«
Er verstummt, und sein Blick wandert verwirrt über Jemima und Mick. Fassungslos nimmt er mir Micks Karte aus der Hand. Dann fällt sein Blick auf den laufenden Kassettenrekorder, und seine Gesichtszüge entgleisen.
»Dann mach ich mich mal vom Acker«, sagt Mick und zieht, zu Jemima gewandt, die Augenbrauen hoch. Er lässt den Rekorder in die Tasche gleiten, nimmt seinen Rucksack und schleicht aus dem Zimmer. Einige Augenblicke lang sagt niemand etwas. Ich höre nur das Hämmern in meinem Kopf.
»Wer war das denn?«, fragt Jack schließlich. »Ein Journalist?«
Aus seinen Augen ist jegliches Leuchten gewichen. Er sieht aus, als hätte ihm gerade jemand den Garten zertrampelt.
»Ich … Jack …«, sage ich heiser. »Es ist nicht … es ist nicht …«
»Warum …« Er reibt sich die Braue, als versuche er, die Situation zu verstehen. »Warum hast du mit einem Journalisten gesprochen?«
»Was glauben Sie denn, warum sie mit einem Journalisten gesprochen hat?«, mischt Jemima sich stolz ein.
»Was?« Jacks Blick richtet sich voll Abscheu auf sie.
»Sie halten sich wohl für den großen Super-Milliardär! Sie glauben wohl, Sie könnten kleine Leute einfach ausnutzen. Sie glauben, Sie können andererleuts intimste Geheimnisse ausplaudern und sie zutiefst demütigen und damit kommen Sie durch. Ha, kommen Sie aber nicht!«
Sie geht ein paar Schritte auf ihn zu, verschränkt die Arme und hebt befriedigt das Kinn. »Emma hat die ganze Zeit auf
eine Gelegenheit gewartet, sich zu rächen, und jetzt hat sie sie bekommen! Das war ein Journalist, falls es Sie interessiert. Und er ist an Ihrem Fall dran. Und wenn Sie Ihr kleines schottisches Geheimnis dann in allen Zeitungen lesen können, dann wissen Sie vielleicht mal, wie es sich anfühlt, betrogen worden zu sein! Und dann tut es Ihnen vielleicht Leid. Sag es ihm, Emma! Sag es ihm!«
Aber ich bin gelähmt.
In dem Moment, als sie das Wort schottisch aussprach, veränderte sich Jacks Gesicht. Irgendwie ging eine Klappe runter. Er war vollkommen verschreckt. Er sah mich direkt an, und ich bemerkte den wachsenden Unglauben in seinen Augen.
»Sie haben wohl gedacht, Sie kennen Emma, aber das tun Sie nicht«, fährt Jemima begeistert fort, wie eine Katze, die ihre Beute zerfetzt. »Sie haben sie
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