Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
ein, hier gehe etwas Seltsames vor, etwas, was mit dem Kircheneinbruch oder vielleicht sogar mit dem Mord zu tun hatte. Nein, Herwig, schalt er sich selbst. Sei vernünftig. Dass er gewartet hatte, bis der alte Mann wieder ins Freie kam, das konnte man noch akzeptieren. Reine Neugier, durchaus verständlich. Und einen Blick auf das Ortskennzeichen werfen – auch das ging noch an im Rahmen reinen Interesses. Aber nun? Er würde nicht so albern sein, sich auch noch das Kennzeichen dieses Mannes aufzuschreiben, nur, weil seine Phantasie die Neigung hatte, mit ihm durchzugehen. Römer befahl sich streng, seinen Notizzettel in der Tasche zu lassen und die Sache mit dem Nummernschild zu vergessen. Er ließ den Zettel, wo er war. Was das Vergessen betraf – da machte sein Gedächtnis nicht mit.
10
Seine Kollegin schien ihre Verärgerung über ihn vergessen zu haben, wie Rainer Sailer mit einer gewissen Erleichterung feststellte, als er sich in der Kantine der Weißenburger Polizei an ihren Tisch setzte. Eva begrüßte ihn mit einem knappen Nicken und ließ sich dann erst von seinem Gespräch mit Otto Glaubnitz erzählen. »Und du glaubst, er hat dir nicht die Wahrheit gesagt?«, fragte sie dann.
Rainer zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Irgendwas kam mir seltsam vor an der Art, wie er so schnell versicherte, nichts mehr von Kronauer gehört zu haben.«
»Viele Leute werden nervös, wenn sie mit der Polizei zu tun haben«, wandte Eva ein.
Rainer nickte. »Schon. Ich sag ja auch nur … Außerdem hat er mich, als ich den Kircheneinbruch erwähnte, sofort gefragt, was der denn mit Kronauers Ermordung zu tun hätte.«
»Ja, aber die Frage ist doch völlig natürlich. Schließlich ist es das, was wir auch wissen wollen.«
»Aber wie kommt er darauf, dass es einen Zusammenhang gibt?«, hakte Rainer nach. »Wir haben doch der Presse bislang noch nichts davon gesagt, dass der Kelch bei dem Toten gefunden wurde … Gut, ich habe ihn zu Kronauer und dann plötzlich zu dem Diebstahl befragt, vielleicht war seine Reaktion darum auch ganz verständlich, aber es kam mir halt komisch vor.«
»Schauen wir mal, ob sich noch etwas ergibt. Ehe wir den Typen verdächtig finden, müssten wir schon etwas mehr wissen … Übrigens können wir uns gleich mal die ganze Liste mit den Anrufen ansehen, die von Kronauers Handy aus in den letzten Tagen abgingen oder empfangen wurden. Vielleicht bringt uns das weiter.«
»Und wie war’s mit der Exfreundin?«, fragte Rainer und wusste angesichts Evas sich verfinsternder Miene sofort, dass er mal wieder die falschen Worte gewählt hatte. Immerhin erzählte sie ihm trotzdem von dem Gespräch, wenn auch etwas kurz angebunden. »Das sieht ja nicht so gut aus«, murmelte er, als sie zu der Stelle kam, an der Klara Weiß auf dem Kirchenboden zusammengebrochen war. »Und dann?«
Eva zuckte mit den Schultern. »Sie ist gleich wieder zu sich gekommen, aber sie sah ziemlich geschwächt aus. Ich konnte sie nicht gut alleine lassen mit ihrer Tochter und den Fahrrädern. Ich habe beide zurück zu ihrem Gasthaus gefahren.«
»Hat sie noch irgendwas gesagt?«
»Sie hat nur geflüstert – etwas wie ›Ja, ich hab’s schon gewusst, aber ich konnte es Ihnen nicht sagen, ich war so durcheinander‹. Mehr war nicht aus ihr herauszukriegen, und ich konnte sie in dem Zustand nicht drängen. Außerdem saß ihre Tochter mit im Auto, die noch keine Ahnung hatte, dass ihr Vater tot ist.« Sie klang beinahe trotzig, als sie das sagte, als ob Rainer ihr Vorwürfe machen würde, die Gelegenheit nicht am Schopf gepackt zu haben, Schwäche und Tochter hin oder her. Sie spießte mit übertriebener Heftigkeit eine Tomate von ihrem Beilagensalat auf. Aber Rainer dachte sich, dass er auch nicht anders gehandelt hätte.
»Na ja, lass uns mal überlegen«, sagte er bloß. »Woher kann sie es gewusst haben? Das kann doch nicht so schwer sein?«
Eva verzog ihr Gesicht. »Erstens – sie hat ihn selbst getötet.«
»Nicht sehr wahrscheinlich, oder? Du hast gesagt, sie ist nicht eben kräftig. Ich glaube kaum, dass sie einen starken, gesunden Mann wie Kronauer im Freien so ohne weiteres mit einem Messer hätte töten können.«
»Ach, das habe ich noch nicht gesagt, oder? Wir haben Neuigkeiten von der Pathologie. Kronauer ist an der Messerwunde am Hals gestorben, die die Luftröhre verletzt hat – an der Wunde wäre er allerdings auch so recht schnell verblutet.«
»Die Messerstiche an den Armen?« warf
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