Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
Details geben und fuhr dann fort: »Wissen Sie, was Kronauer hier wollte? Wir haben gehört, er habe ein paar Tage Urlaub genommen.«
»Er hat bei mir angerufen, das war so vor zehn Tage vielleicht. Er het gesagt, dass er Urlaub nimmt, dass er ein paar Sachen zu erledigen hat und ein paar Leute treffen will. So was, ganz normal eigentlich, das hat er öfter gemacht. Manchmal het er bei mir übernachtet.«
»Diesmal aber nicht?«
»Er hatte jede Menge Bekannte«, antwortete Glaubnitz. »Aber ich glaube, diesmal ist er nur tagsüber von seiner Wohnung aus nübergefahre.«
»Aber gesehen haben Sie ihn?«
Der Journalist nickte.
»Wann zuletzt?«
Glaubnitz zögerte kaum merklich, dann erwiderte er: »Sonntagabend. In meiner Wohnung, mir hen was gegesse und uns unterhalten.«
»Hat er Ihnen etwas erzählt über die Dinge, die er erledigen wollte – oder über die Leute, die er vorhatte aufzusuchen?«
»Wie bitte?« Glaubnitz schaute von seinem Bier auf, in dessen Anblick er wieder versunken war. »Ob er? Nein, nein, er hat nichts gesagt.«
Rainer lehnte sich weiter nach vorn und fixierte das rundliche Gesicht seines Gegenübers. »Herr Glaubnitz, Sie kannten den Mann doch offenbar gut. Und er hat Ihnen nichts von seinen Plänen gesagt? Und Sie können mir nicht einmal verraten, wen er hier so alles kennt und mit wem er sich getroffen haben könnte?«
»Ja, nein, er het mir schon Sache erzählt. Aber nichts Wichtiges. Nichts, was besonders auffallend war.«
»Dietmar Kronauer war doch ein außergewöhnlicher Mensch, wenn ich das alles richtig verstanden habe, oder?«
»Hm, ja«, presste der andere so eingeschüchtert wie trotzig heraus und sah dabei aus wie ein vor der Dämmerung aufgescheuchter Uhu.
»Nun, dann können Sie doch nicht mit Sicherheit sagen, was wichtig sein könnte und was nicht.«
Glaubnitz schien in sich zusammenzusinken, nickte dann aber. »Er wollte zum Brombachsee, am Montag. Mit seine Tochter. Und er wollte ein paar Leute interviewe, er sagte, er müsse etwas recherchieren. Das war nicht ungewöhnlich«, fügte er hinzu, als er Rainers plötzlich gespanntere Körperhaltung bemerkte. »Er war halt Reporter, auch in seiner Freizeit. Er het sich für alles Mögliche interessiert und war immer auf der Suche nach interessante Theme und Leute.«
»Aber er hat Ihnen nicht gesagt, worum es diesmal ging?«
»Irgendwas Historisches«, kam die Antwort ausweichend. »Ich glaube, es hatte was mit dem Schicksal derjenigen zu tun, die während der Nazizeit hier aus der Gegend emigriert sind. Und er sagte etwas von einem Raub, aber ich weiß wirklich nicht, um was es da ging.«
Die letzten Worte erinnerten Rainer unangenehm an die Tatsache, dass sie in Sachen Kircheneinbruch ebenso wenig Fortschritte gemacht hatten wie in Sachen Kronauermord, und dass beide Fälle irgendwie zusammenzuhängen schienen. Der verflixte Kelch. Wie in Dreiteufelsnamen war er in Kronauers tote Hände geraten?
»Okay«, seufzte er und schob die halbleere Tasse von sich. »Nur um uns richtig zu verstehen – nach dem Abendessen am Sonntag haben Sie dann nichts mehr von Kronauer gehört? Keinen Anruf erhalten oder so?«
»Nein. Nein, danach hen ich ihn nicht mehr gesproche.«
Rainer fragte sich, ob er sich nur eingebildet hatte, dass die Antwort etwas zu prompt gekommen war. »Gut, dann danke erst mal. Vielleicht melde ich mich wieder.« Er stand auf und streckte Glaubnitz die Hand hin. Der ergriff sie mit warmen, ein wenig feuchten Fingern und sah ihn durch die runden Brillengläser freundlich an.
Ohne genau zu wissen warum, fragte Rainer plötzlich: »Sie haben über den Einbruch in der Kirche in Buchfeld berichtet, oder? Können Sie sich vielleicht vorstellen, wer dieses Abendmahlszeugs gestohlen hat?«
Die braunen kauzigen Augen hinter dem Brillengestell weiteten sich. »Was hebe denn Abendmahlskelch und Hostienschale mit Dietmars Tod zu tun?«, erwiderte er anstelle einer Antwort.
Ja, dachte Rainer grimmig, das ist die Preisfrage. Das wüssten wir alle gern.
9
Über der Tür des Ladens ertönte eine Klingel, als Herwig Römer eintrat. Der sonnige, wolkenlose Morgenhimmel ließ den Raum, der sich hinter der Tür auftat, finster erscheinen. Der Pfarrer brauchte eine Minute, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Als er sich umblickte, nahm er das typische Durcheinander eines sehr kleinen Antiquitätengeschäfts wahr. Über ihm hingen Kronleuchter und Jugendstillampen ebenso wie alte Schürzen und
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