Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
ist aber ziemlich unwahrscheinlich. Das Gasthaus hat zwar keinen Nachtportier, der genau sagen kann, ob jemand nachts noch fort ist. Aber Kronauer hat sein Auto vorm Haus geparkt – ziemlich schief geparkt, scheint eine Spezialität von ihm gewesen zu sein – und das ist dem Gastwirt aufgefallen. Am Morgen stand das Auto genauso da. Kein Beweis, dass er es nicht zwischenzeitlich doch bewegt hat, aber …«
»Es ist nicht sehr wahrscheinlich«, stimmte Eva zu. »Aber wozu das Foto? Wozu der Kelch?«
Rainer verzog sein Gesicht zu einer Grimasse schmerzhaften Nachdenkens, dann blickte er entschlossen auf. »Glaubnitz«, sagte er voller Überzeugung. »Wir müssen uns den noch mal vorknöpfen. Der hat Kronauer richtig gut gekannt und ich bin sicher, dass der etwas weiß.«
Eva ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen, während sie abwesend an einem Knopf ihrer Bluse fingerte, der bedenklich locker saß. »Und meinst du, wir sollten ihn auch gleich nach einem Alibi fragen?«
»Kann ja nicht schaden«, kam die Antwort, aber Rainers Ton klang zweifelnd. »Obwohl – ich kann mir Ottochen nicht recht als Mörder vorstellen. Aber reden müssen wir mit ihm.«
Weiter kamen sie nicht, denn in diesem Augenblick klingelte das Telefon auf Rainers Schreibtisch. Er hob ab, lauschte ein paar Sekunden, dann hieb er triumphierend auf den Tisch. »Wir haben eine Zeugin«, raunte er Eva zu.
Otto Glaubnitz und seine Geheimnisse waren für den Moment vergessen. Und als Sandra Schneider ein paar Minuten darauf ins Büro trat, fand sie es leer vor. »Mist, hat man einmal was Neues, ist niemand da, dem man es erzählen kann«, murrte sie und legte den Notizzettel, den sie in der Hand gehabt hatte, auf dem Schreibtisch ab.
12
Wie sich herausstellte, bedeutete »Wir haben eine Zeugin« leider nicht »Wir haben jemanden, der den Mörder bei der Arbeit gesehen hat und uns seinen Namen nennen kann«. Eva musste zugeben, dass das wohl auch nicht zu erwarten gewesen war. Trotzdem war sie ein wenig enttäuscht. Kronauers Tod und alles, was damit zusammenhing, war so verdammt undurchsichtig.
Gabi Müller war eine dralle Blondine, wohl nicht mehr so jung, wie sie sich gab, aber offensichtlich entschlossen, das Beste aus ihren Reizen zu machen, so lange sie noch welche hatte. Ihr Anblick ließ Rainer unweigerlich an Bierkrüge und Oktoberfestzelte denken, aber vielleicht lag das nur daran, dass sie die beiden Polizisten in der Gaststätte gegenüber dem Schlossparkplatz hinter dem hölzernen Tresen empfing.
»Was zu trinken vielleicht?«, fragte sie und mischte wunschgemäß zwei Apfelsaftschorlen. »Er ist hier reingekommen«, erklärte sie dann. Nachdem die Polizei bei der Befragung der Anrainer jenseits des Brachfeldes so wenig Erfolg gehabt hatte, hatte sie beschlossen, auch im Ort herumzufragen, ob jemand dort sich an Kronauer erinnerte. Zur Sicherheit zog Eva ein Foto des Ermordeten hervor und zeigte es ihr. »Diesen Mann meinen Sie, ja?«
»Er ist hier reingekommen«, wiederholte die Gastwirtin anstelle einer Antwort. »Ich hab gesehn, wie er drüben am Schloss geparkt hat – es war noch trocken und schönes Wetter, da hab ich ein bisschen in der Tür gestanden. Er ist reingekommen und hat was zu trinken bestellt …«
»Was?«, wollte Rainer sofort wissen, aber Frau Müller sah ihn fast beleidigt an. »Ich kann mich nicht erinnern, was jeder bestellt, wo hier so reinkommt«, verkündete sie, ein Abbild gekränkter Würde.
Eva zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln. »Ich glaube, mein Kollege wollte nur ungefähr eine Ahnung haben – ob es zum Beispiel etwas Warmes war oder vielleicht eher ein harter Schnaps.«
»Schnaps ned«, murmelte ihr Gegenüber brummig. »Was Normals, Radler oder Kaffee oder Apfelsaftschorle. Was jeder trinkt halt.«
»Also keine Bionade«, wisperte Eva ihrem Kollegen pointiert zu. »Oder Pfefferminztee.« Rainer grinste, aber der kurze Austausch schien Gabi Müller zu ärgern, die ihre Geschichte ganz offensichtlich auf ihre Weise erzählen wollte. Rainer räusperte sich. »Also, er ist hereingekommen«, wiederholte er aufmunternd.
»Hat was bestellt, wie ich schon sagte«, fuhr die Gastwirtin fort. »Und dann hat er bezahlt und mich nach einer Straße gefragt, und wie weit es zu der ist.«
Rainer und Eva wechselten schnell einen Blick. Vielleicht kamen sie endlich weiter. »Sie wissen wohl nicht mehr, welche Straße das war?«
Gabi Müller schmollte wieder empört, aber diesmal offenbar
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