Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
gegen zehn Uhr, einen unglaublichen Krach und ein Poltern gehört zu haben, das eigentlich nur von dem umstürzenden Regal stammen konnte. Und natürlich ist niemand auf die Idee gekommen, mal nachzusehen, ob was passiert ist. Aber um die Zeit war Heinrich Weiher mit mehreren Freunden auf einer Party, und das wurde von so vielen Leuten bezeugt, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestehen konnte, dass er zum fraglichen Zeitpunkt nicht zu Hause war.«
Rainer stöhnte. »Aber das besagt doch gar nichts!«, rief er wütend aus. »Weiher war der erste, der am nächsten Tag zur Stelle war. Vielleicht hatte er alles so vorbereitet, dass das Regal umfallen musste und am nächsten Tag genug Zeit da war, alle Spuren zu beseitigen.«
»Wie bei Peter Wimsey mit dem Kaktus?«, warf Friedolin ein. »Als perfekte Falle, die in Abwesenheit des Mörders zuschlägt …«
Rainer pfiff durch die Zähne, wiegte aber zweifelnd den Kopf. »Bisschen schwierig, das mit einem Bücherregal zu machen, würde ich sagen … Obwohl … vielleicht, wenn der Mörder es vorher ein bisschen nach vorne gekippt hätte, gerade so, dass es noch steht …«
Eva sah die beiden mit so blankem Unverständnis an, dass Rainer ungläubig fragte: »Du hast die Sayers-Romane nie gelesen? Peter Wimseys berühmte Fälle? Starkes Gift? Nine Tailors? Banause!« Kopfschüttelnd fuhr er fort: »Wie ist das: Weiher hat seinen Vater doch ermordet, und jetzt auch den Kronauer, weil er und Elisabeth Baarer-Weiher dabei waren, ihm auf die Schliche zu kommen?«
Sie wog den Kopf hin und her. »Siehst du eine andere Möglichkeit? Ich kann mir immer noch nicht recht vorstellen, dass der alte Mann Kronauer hinterherschleicht und ihm ein Messer in den Hals rammt, aber das würde vielleicht das Schlafmittel erklären – damit wäre Kronauer nicht mehr so reaktionsfähig und leichter zu überwältigen. Und – okay, Weiher ist zwar alt, aber er wirkt doch noch recht fit – fitter als die alte Frau Hofmann zum Beispiel. Und Kronauer hat auf dem AB doch gesagt, er hätte mit »ihm« gesprochen und fürchtete dann, dass es wahr ist. Auf wen außer Weiher könnte das zutreffen?«
»Es passt schon alles irgendwie zusammen«, gab Rainer trotz innerer Zweifel zu, und Friedolin nickte voller Überzeugung. »Zumindest ist Weiher der Einzige, bei dem eine Verbindung zwischen dem alten Fall, der Baarer-Weiher und Dietmar Kronauer besteht.«
»Und Weiher ist nach unserem Gespräch gestern verschwunden«, erinnerte Eva. »Das scheint alles in die eine Richtung zu deuten.« Sie biss sich auf die Lippen und fügte eisern hinzu: »Trotzdem, wir haben schon einen schweren Fehler gemacht, ich möchte nicht, dass wir irgendwelche anderen Möglichkeiten übersehen. Gehen wir alles andere, was wir sonst noch haben, noch mal durch, alle Verdächtigen und alle Aussagen und Indizien.«
Rainer begann an den Fingern abzuzählen: »Der Messner Probst. Ein kleiner Gauner, und Kronauer hatte etwas gegen ihn in der Hand.«
»Wo kommt aber die Baarer-Weiher da ins Spiel?«, fragte Eva, und Friedolin fügte hinzu: »Außerdem war Probst am Dienstagabend bei seiner Schafkopfrunde in Buchfeld. Er ist ein bisschen früher gegangen, aber wenn Kronauer wirklich vor Beginn des Regens um zehn getötet wurde, kann er es nicht gewesen sein. Da müsste er wie der Teufel direkt zu den Ruinen gefahren sein und sofort zugestochen haben. Nicht sehr plausibel.«
»Zweitens Otto Glaubnitz«, fuhr Rainer fort und deutete auf seinen Zeigefinger. »Sein Alibi für den Abend wurde von den Nachbarn bestätigt, und bei ihm kennen wir auch kein Motiv, Kronauer umzubringen, geschweige denn die Baarer-Weiher.«
Rainer hob nacheinander Mittel- und Ringfinger: »Margarete Hofmann und Bernd Kahlert.«
»Wieso ›und‹?«, wollte Friedolin wissen.
»Wegen des Schlafmittels. Wenn er es wirklich im Windhof gekriegt hat, was wahrscheinlich ist, dann hat er es bei ihr bekommen. Vielleicht haben die zwei zusammengearbeitet, oder Kahlert hat sie benutzt.«
»Oder Weiher und Margarete Hofmann stecken unter einer Decke«, schlug der junge Kollege vor. Eva überlegte eine Weile ernsthaft. »Das würde einiges erklären«, meinte sie nachdenklich. »Aber gibt es denn irgendeinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen den zweien?«
»Ich find’s heraus«, versprach Friedolin. »Wie sieht es alibimäßig bei den beiden aus?«
»Kahlert überprüfen wir«, erklärte Rainer. »Er soll zu Hause gewesen sein, und seine Frau soll
Weitere Kostenlose Bücher