Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
als habe er darin gerade etwas Ekliges entdeckt. Seine Hände zitterten dabei leicht, aber sein Gesicht wurde steinern, und wie zu Beginn des Gesprächs presste er die blutleeren Lippen fest aufeinander.
Friedolin mischte sich auf einmal ins Gespräch. Er wandte sich an seine Kollegen, aber laut genug, dass Weiher mithören konnte. »Ich glaube, ich weiß jetzt, was Kronauer wirklich bei der alten Margarete Hofmann wollte. Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen ihr und den Weihers. Sie und ihre Mutter lebten in der Wohnung neben Friedrich Weiher. Die Mutter war eine der Nachbarinnen, die von dem Streit zwischen Vater und Sohn berichteten und die das laute Krachen hörten, als das Regal umfiel. Tut mir leid, dass ich das nicht früher da hatte, aber sie hieß damals noch anders, ich musste erst ihren Mädchennamen herausbekommen. Die ganze Sache mit der Flucht war nur ein Vorwand, Kronauer wollte sie in Wirklichkeit sicher deswegen befragen. Sie muss die Weihers gekannt haben, wenn sie Nachbarn waren.«
»Ich werde Ihnen sagen, weshalb ich heute weggefahren bin«, rief Heinrich Weiher plötzlich aus. Wenn er vorher schon erschreckt und beunruhigt gewirkt hatte, war das nichts gegen die Bestürzung, die jetzt aus ihm sprach. »Ich habe Kronauer nichts angetan – ich meine, ich habe ihn nicht getötet.« Rainer und Eva wechselten bei dieser eigentümlichen Formulierung einen raschen, vielsagenden Blick, der dem alten Mann nicht entging. »Ich habe ihn nicht getötet«, wiederholte er heiser. »Ich werde Ihnen erzählen … ich … nein, ich will erst mit dem Pfarrer sprechen, vorher werde ich nichts sagen.«
»Sie müssen«, rief Rainer aufgebracht. Die bloße Erwähnung Herwig Römers war nicht dazu angetan, seine Laune zu bessern, und er wusste, dass sie von dem Pfarrer nichts erfahren würden, selbst wenn Weiher ein vollständiges Geständnis unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses ablegte.
Heinrich Weiher wusste ebenso wie Rainer selbst, dass diese Worte Unsinn waren. »Ich muss nicht«, gab er wütend zurück, »und ich werde nichts sagen, ehe ich mit dem Pfarrer gesprochen habe.«
»Na großartig, das trifft sich ja prächtig«, ließ Eva in beißendem Tonfall hören. »Zufällig sitzt Pfarrer Römer unten in der Kantine und schreibt an seiner Predigt für morgen, weil er in diesem Regen leider nicht nach Buchfeld zurückfahren konnte. Friedolin …«
Der junge Beamte ging los, um den Pfarrer zu suchen, und Eva brachte Heinrich Weiher in ein leeres Besprechungszimmer. Als Herwig Römer im Gefolge des Polizisten auftauchte, warf sie ihm einen Blick zu, der deutlich besagte, dass sie ihm an allen Widrigkeiten dieses Falles, einschließlich des Wetters, die Schuld gab, dann ließ sie ihn mit dem alten Mann alleine und kehrte in das Büro zurück. Rainers Gesicht wirkte so fröhlich und gelassen wie die schwarzen Regenwolken draußen. »Warum ist der Römer nicht längst weg?«, fuhr er sie erregt an. »Als wir vorhin mit ihm geredet haben, hat es doch noch gar nicht geregnet.«
»Das weiß ich doch auch«, gab Eva ebenso heftig zurück. »Aber Herwig Römer kann ja nicht einfach so das Feld räumen, er könnte ja noch gebraucht werden. Und siehe da, genauso ist es auch«, fügte sie höhnisch hinzu.
»Kann man gegen Leute wie ihn nicht was unternehmen?«, fragte Rainer zornig.
Eva zuckte mit den Schultern. »Die Kirche in die Luft jagen, aber ich fürchte, das würde uns in Schwierigkeiten bringen.«
Wider Willen musste Rainer lächeln, wurde dann aber erneut ernst: »Kann man den Mann nicht wenigstens an den Altar ketten, damit er zumindest außerhalb seiner Kirche keinen Ärger macht?« Missgelaunt zerfetzte er ein leeres Blatt Papier und ließ die Schnipsel einzeln auf den Tisch segeln.
Eva setzte sich, mittlerweile wieder gelassener, auf den Stuhl, den Weiher zuletzt benutzt hatte, und legte die Beine auf den Papierkorb unter dem Tisch. »Vielleicht bringt es ja sogar was. Die Schweigepflicht darf er nicht brechen, aber manchmal bringt so ein seelsorgerliches Gespräch die Sache trotzdem voran.«
»Pah«, machte Rainer verächtlich und verfiel in ein gekränktes Schweigen, das anhielt, bis sich die Tür zum Büro öffnete und Herwig Römer auf der Schwelle stand. Er wirkte nachdenklich und auch ein wenig erschüttert, wenn auch nicht so, als hätte er gerade ein Mordgeständnis gehört.
»Nun?«, fragte Eva ungeduldig.
»Nun, nun«, echote Römer mit einem Anflug von Spott. »Zeit für
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