Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
überlegte Rainer. »Dann wissen wir wenigstens, warum Kronauer mit der Hofmann sprechen wollte.«
»Aber nicht, wie der Kahlert ins Spiel kommt. Irgendeine Verbindung muss es geben.« Eva drückte ihre Zigarette aus und warf den Stummel in den Abfallkorb neben der Bank. »Wir müssen sie nur finden.«
Rainer, der seine Kieselsteine verschossen hatte, kramte sein Handy aus der Tasche, das er während des Gesprächs in der Surfschule auf stumm geschaltet hatte. »Zwei Anrufe von der Station«, sagte er alarmiert, und Eva nahm ihr eigenes Telefon und fand neben den Anrufen noch eine SMS.
»Scheiße!«, rief sie heftig aus, nachdem sie den Text gelesen hatte. »Wir müssen sofort zurück. Heinrich Weiher hat sich abgesetzt.«
33
In der Kantine der Polizeiinspektion trafen sie auf Friedolin und Pfarrer Römer, der einen Becher Kaffee in der Hand hatte und gedankenverloren darin rührte. »Sie hier?«, fragte Rainer ungehalten. Römer nickte ernst und wandte sich dann an Eva. »Ich wollte doch noch einmal nach Heinrich Weiher sehen«, erklärte er ruhig. »Er ist aber nicht an die Tür gegangen, und dann hat mich der Beamte, der die Wohnung beobachtet hatte, angesprochen.«
»Unser Mann konnte ja nicht wissen, wer da zu Weiher wollte«, warf Friedolin ein. »Jedenfalls haben sie dann beide noch mal geklingelt. Schließlich hat ein Nachbar geöffnet und erzählt, dass Weiher ganz früh am Morgen die Wohnung verlassen und er ihn seitdem nicht mehr gesehen hätte.«
»Frühmorgens?« rief Eva schrill aus. »Verdammt, Rainer, wir haben die Sache total in den Sand gesetzt. Hätten wir die Überwachung etwas eher in Gang gebracht …«
Ihr Kollege schnaubte wütend. »Und ich Trottel habe sogar gestern Abend noch vor seiner Wohnung gestanden.« Als sie ihn fragend anschaute, fügte er mit einem Schulterzucken hinzu: »Mir war nicht wohl bei der Sache. Ich hatte das Gefühl, ich sollte mich da noch mal umschauen. Mist. Ist sich der Nachbar sicher, dass er nicht mehr zurückgekommen ist, Friedolin?«
»Ganz sicher nicht. Aber ich fürchte, es bestehen wenig Zweifel.«
»Im Krankenhaus war er nicht – bei seiner Tochter? Habt ihr da angerufen?« Eva klammerte sich fast verzweifelt an diese letzte Hoffnung, obwohl sie eigentlich ganz sicher war, dass die Kollegen das als erstes abgeklärt hatten.
»Nichts.« Friedolin klang grimmig. »Aber wir haben etwas über den alten Fall Weiher herausbekommen. Oben im Büro.« Er warf einen fragenden Blick auf den Pfarrer, der scheinbar vollauf mit seinem Kaffee beschäftigt war. Eva zweifelte allerdings nicht daran, dass er genau mitbekam, was hier vor sich ging, und dass er sich seine eigenen Gedanken dazu machte. »Gibt’s noch was?«, fuhr sie ihn leicht aggressiv an. Römer schaute auf und wirkte tatsächlich überrascht, als sei ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er im Weg war. »Oh, nein, leider kann ich auch nicht mehr sagen. Ich mache mich wohl besser wieder auf den Weg, die Predigt für morgen vorbereiten. Pfingsten.«
Er trank seinen Kaffee aus, während die drei Polizisten die Kantine verließen, machte aber keinerlei Anstalten, nach Buchfeld zu seinem Pfarrhaus zurückzukehren, sondern fing ein Gespräch mit einer der Küchenkräfte an. Die besten Einfälle für seine Predigten kamen ihm sowieso immer, wenn er sich mit völlig anderen Dingen beschäftigte. Den Leuten aufs Maul schauen, hatte schon Luther gesagt.
34
Klara Weiß saß auf dem Bett ihres Hotelzimmers. Ihre Reisetasche stand offen neben ihr, aber sie hatte mitten im Packen innegehalten, als sie gerade ihre Digitalkamera verstauen wollte. Die letzten Bilder von Dietmar, die sie jemals haben würde, aufgenommen am See und am Abend zuvor in der Gaststube. Eine Menge Bilder, aber nicht eine Menge Bilder von ihm. Die meisten zeigten Constanze, wie sie am Strand herumlief, die langen Haare im leichten Wind flatternd. Constanze, die lachend über dem Ruder des kleinen Bootes hing, nachdem sie das Fahrzeug dreimal im Kreis gesteuert hatte. Sie selbst, lächelnd und ungewohnt friedvoll. Die Ufer des Brombachsees. Ein weißer Fleck am blauen Himmel; das war eine Möwe gewesen, aber natürlich war das Foto nichts geworden. Dietmar und Constanze, wie sie gerade von Bord gingen, und dann noch einmal Dietmar vor dem Hintergrund des Sees, die Augen halb gegen die Sonne geschlossen. Mehrere Bilder von ihm, die verschwommen waren, weil Constanze so ungeduldig war und die Kamera nie lange genug ruhig hielt.
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