Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
bringen, sondern das Schwert.« Was für eine Welt war das, in der ein alter Mann ein junges Mädchen schwanger im Stich ließ, eine Mutter ihren Sohn zum Mord anstiftete und grenzenloses Misstrauen zwischen einer Tochter und ihrem eigenen Vater herrschte?
Friedolin hatte mit ein paar Fotos herumgespielt. »Eins kapier ich nicht«, ließ er nun hören. Er streckte eines der Bilder für alle sichtbar vor. »Was hat der Kelch mit der ganzen Sache zu tun? Was sollte das überhaupt?«
Rainer nahm ihm das Bild aus der Hand und legte es verkehrt herum auf den Schreibtisch, um es nicht ansehen zu müssen. Es war das Foto, das Kronauers weit ausgestreckte Hand mit dem blutgefüllten Kelch zeigte. Selbst jetzt jagte ihm der Anblick noch einen Schauer über den Rücken. Das ist mein Blut. Aber es war Dietmar Kronauers Blut gewesen, das Kahlert vergossen hatte.
»Er hat wahrscheinlich gehofft, der Kelch würde uns auf eine falsche Spur führen«, meinte er.
Eva nickte kurz. »Er hat Kronauers Beutel durchsucht, nachdem er ihn umgebracht hatte«, erklärte sie. Das gehörte zu den wenigen Dingen, die Kahlert ihr gesagt hatte. »Und als er den Kelch sah, ist ihm ein Artikel aus der Zeitung eingefallen, den er irgendwann gelesen hatte, über satanische Rituale. Da dachte er sich, das würde dann nach so etwas aussehen, und da er selbst mit dem Kelch nichts zu tun hatte, würde niemand auf ihn kommen.«
Gollwitzer schüttelte den Kopf. »Da sieht man mal wieder«, meinte er. »Dabei hat uns der Kelch erst auf die Spur gebracht. Ohne ihn wären wir vielleicht niemals so weit gekommen.«
»Jetzt übertreibst du«, kritisierte Rainer. Vielleicht kränkte es ihn insgeheim, dass er selbst am Anfang überzeugt gewesen war, dass sie es mit einem Ritualmord zu tun hatten. »Den Kahlert und seine Mutter hätten wir auch ohne den Kelch aufgespürt. Die Telefonliste und so …«
»Aber wir hätten vielleicht nie herausbekommen, wie alles zusammenhängt«, gab Eva zu bedenken. »Wenn uns der Römer nicht auf Heinrich Weiher und die Kelchverbindung gebracht hätte, wer weiß, ob wir dann je auf die Sache mit dem Mord an Friedrich Weiher gestoßen wären.«
Rainer schnaubte verächtlich. »Pah, ohne den Römer hätten wir das schon auch noch hingekriegt.«
»Margarete Hofmann tut mir beinahe leid«, murmelte Eva – einem eigenen Gedanken folgend, den keiner der anderen nachvollziehen konnte.
Einen Moment lang schwiegen alle und hingen ihren eigenen Überlegungen nach, dann sagte Gollwitzer:
»Die gute Nachricht: Elisabeth Baarer-Weiher ist aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht, der Arzt sagt, sie wird bald wieder gesund sein und es sind keine bleibenden Schäden zu erwarten.«
»Nur Kronauers Tod.«
Die anderen sahen Eva etwas betreten an. Natürlich wussten sie alle, dass Mord immer seine Spuren hinterließ, aber es gehörte nicht zum guten Ton, ständig daran zu erinnern. Eva riss sich zusammen und zwang sich zu einer scherzhaften Bemerkung: »Ja, und Werner Blum hätte ich beinahe vergessen. Die Kollegen haben am Schloss der Surfschule ihre Fähigkeiten mit dem Dietrich gezeigt, so dass er jetzt seine Schlüssel wiederhat. Da fällt mir ein, Rainer«, wandte sie sich in gespielter Ernsthaftigkeit an ihren Kollegen. »Du warst ja nun ziemlich lange mit ihm alleine. Ich hoffe doch sehr, du hast deine Tugendhaftigkeit mit Haaren und Zähnen – nein, mit Zähnen und Klauen, meine ich, verteidigt …«
Alle außer Rainer brachen in ein befreiendes Gelächter aus, das die Anspannung löste, unter der sie die ganze Zeit gestanden hatten.
»Na schön, ich glaube, das ist alles, was wir heute tun können«, verkündigte sie schließlich. »Ihr wolltet sicher alle längst zu Hause sein. Noch mal danke für die Arbeit. Gute Nacht.«
Die anderen waren gerade fort, als Rainers Handy klingelte. Eva erstarrte auf der Schwelle des Büros. Dieser Tag hatte schon so viele unerwartete Wendungen genommen, dass sie halb erwartete, von einem weiteren Mordfall zu erfahren, der die Lösung des Falles wieder zweifelhaft erscheinen ließ.
Rainers missmutiges Gesicht nahm einen überraschten und erfreuten Ausdruck an, als er das Gespräch entgegennahm. Am anderen Ende der Leitung sprach Klara Weiß. Sie entschuldigte sich peinlich berührt dafür, ihm diese Information erst jetzt geben zu können – »aber Constanze hatte ein Buch, das Dietmar gehörte, und ich habe mir gerade erst den Zettel angesehen, der darin steckte. Ich glaube, er könnte
Weitere Kostenlose Bücher