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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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ließ
sie wieder zufallen. Der kurze Knall verscheuchte die Gämsen. Drei sprangen
nach rechts den Steilhang hinunter, zwei flüchteten nach links über die
Hügelwiese.
    »Die kommen zurück«, sprach Maria mehr zu sich selbst. Sie vermied
es, Hummer anzusprechen oder ihn etwa versehentlich zu berühren. Behutsam
setzte sie den Zug wieder in Bewegung.
    Die zwei Chaos-Gämsen kamen in einem Höllentempo von ihrer Wiese
zurück, machten Millimeter vor dem Führerhaus einen Riesensatz über die Geleise
und stürzten sich den tief verschneiten Hang hinunter.
    »Also?« Hummer sah sie herausfordernd an.
    Maria hatte sich die Antwort überlegt. »Freili«, sagte sie. »A ganz
a wuide Lesbe. Aber mir machen wenigstens keine Männer net unglücklich.« Sie
zeigte ihm den Vogel. »Ist Ihnen die Kälte zu Kopf gstiegn? Ihr Hirn ist total
eingfroren, gell?«
    Als der Zug die Bergstation erreichte und sie ausgestiegen waren,
machte er einen neuen Anlauf. »Hast du einen Augenblick Zeit?«, sprach er sie
an.
    Maria musste eh auf den nächsten Zug bergab warten. »Freili«, sagte
sie. »Auf einen Kaffee immer. Bin i von dir eingladen?«
    Hummer hatte es geschafft, sie neugierig zu machen. Ein ziemlich gut
aussehender Mann, dachte sie, der Uly Hummer. So wie er sie ansah, konnte er
sie unmöglich für lesbisch halten. Dieses ironische Lächeln, mit dem er sie
bedachte, dieser gewollt jungenhafte und charmante Blick, das waren Werkzeuge,
eine Frau zu erobern, nicht sie zu verschrecken. Obwohl Maria bisher nur einen
einzigen Freund gehabt hatte, hatte sie ein tiefes Gespür dafür, was Männer
wollten. Sie und lesbisch! Eher würde sie einem Fisch den Kopf abbeißen. Eher
für immer auf den Bauernhof ihrer Eltern ziehen.
    Als sie in die Bierstube kam, hatte er bereits an dem blank
gewienerten Holztisch neben dem grünen Kachelofen von 1883 Platz genommen und
telefonierte.
    »… Nein, sie ist genau die Richtige, wenn ich dir’s sag. Gut
aussehend, Sex-Appeal, schlagfertig, bewegt sich gut.«
    Sie bestellte Kaffee, er ein Weißbier. Beide schwiegen. Er zog einen
kleinen Block aus der Innentasche der Jacke, befeuchtete den Zeigefinger und
blätterte.
    Sie beobachtete ihn, während er das Papier durchging. Alter Ende
vierzig aufwärts. Durchtrainierter Körper, dienstagabends und
samstagnachmittags Tennis. Braunes, viel zu dünnes Lederjäckchen mit einem
Modelabel an der linken Brustseite, das sie nicht kannte. Designerjeans.
Leichtes Grübchen am Kinn. Teures Rasierwasser. Gepflegte Hände. Graue,
lebendige Augen.
    Uly Hummer, Präsident des FC Bavaria München. Dass sie den einmal so aus der Nähe zu sehen bekam. Was wollte
er von ihr? Nur flirten? Wo er sie doch für eine Lesbe hielt? Was wollte er
überhaupt hier oben? Sie hatte nur die Nachricht erhalten, der große Uly Hummer
wünsche im Führerhaus der Wendelsteinbahn mitzufahren.
    Hummer hatte seinen Block fallen gelassen, den Blick gehoben und sah
Maria in die Augen. Geschmolzene Schneeflocken glitzerten in ihrem Haar, ihre
Augen blitzten nur so vor Gesundheit und guter Laune. Sie strahlte eine naive
und urwüchsige Sinnlichkeit aus, die einen Mann durchaus in Schwindel versetzen
konnte.
    »Hast du ghört, was ich grad am Telefon gsagt hab?«, fragte er in
gutem Münchnerisch.
    Maria fiel auf, dass die grauen Augen hart wie Kieselsteine geworden
waren. Es war ein Ausdruck, wie sie ihn noch nie in einem Gesicht gesehen
hatte. Mal sehen, was kommt, dachte sie.
    »›Gegen den Wind‹«, sagte er. »Schon mal gehört? Nein? Na ja, wie
auch. Sie suchen die Hauptdarstellerin für diese Soap. Ein Mädel, das auf dem
Reiterhof des Vaters aufwächst und seine Homosexualität entdeckt. Da würdest du
genau reinpassen. Das hab ich dem Dieter auch gesagt. Klar, dass du nicht
selber lesbisch bist, das merkt man auf den ersten Blick.« Er musterte sie
ausführlich von oben bis unten. »Aber du könntest eine spielen.«
    Maria errötete ein wenig. »Also ich soll die Hauptrolle in ›Gegen
den Wind‹ spielen. Und was ist die Gegenleistung?«
    Hummer entblößte seine beiden Zahnreihen. »Hahaha. Du kannst mit mir
schlafen oder mit dem Dieter. Aber du musst nicht. Du musst nur beim Casting
auftauchen. Und dann schaumermal.« Wieder zückte er sein Mobiltelefon und gab
eine Nummer ein. Maria schielte hinüber und registrierte die Vorwahl 089 für
München.
    Die Bierstube um sie herum hatte sich mit Menschen mit winterblassen
Gesichtern gefüllt. Es wurde laut. Die Sternsinger wanderten von

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