Sakrileg – The Da Vinci Code: Inkl. Leseprobe aus „Inferno“
Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird. Wenn zwei Kulturen aufeinander prallen, verschwindet der Verlierer von der Bildfläche, und der Sieger schreibt die Geschichtsbücher, in denen er sich selbst im vorteilhaftesten Licht zeichnet und den besiegten Feind als Halunken darstellt. Wie hat Napoleon so treffend gesagt? ›Was ist die Geschichte anderes als eine Lüge, über die alle sich einig sind.‹« Teabing lächelte. »Das liegt in der Natur der Sache. Die Geschichte ist immer eine einseitige Berichterstattung.«
So hatte Sophie es noch nie betrachtet.
»Die Sangreal-Dokumente erzählen nichts anderes als die andere Seite der Geschichte Jesu Christi. Was man letzen Endes für wahr hält, ist eine Frage des Glaubens beziehungsweise der persönlichen Neugier, aber die Information als solche hat immerhin überlebt. Die Sangreal-Dokumente umfassen Zehntausende beschriebener Seiten. Nach dem Bericht von Augenzeugen wurde der Sangreal-Schatz von den Tempelrittern in vier großen Truhen fortgeschafft. In diesen Truhen sollen sich auch die Dokumente der reinen Lehre befunden haben – Tausende Seiten originaler Schriftstücke aus der Zeit vor Konstantin dem Großen, niedergeschrieben von den frühen Anhängern Jesu, die ihn als durch und durch menschlichen Lehrer und Propheten verehrt haben. Auch das legendäre ›Q‹ -Dokument wird diesem Schatz zugerechnet – ein Manuskript, dessen Existenz sogar von der katholischen Kirche offiziell eingeräumt wird und das eine Aufzeichnung der Lehre Jesu sein soll, möglicherweise sogar von Jesus selbst verfasst.«
»Ein Manuskript von Jesus persönlich?«
»Gewiss«, sagte Teabing. »Warum soll Jesus keine Chronik seines Lebens verfasst haben? In jenen Tagen haben das viele Menschen getan, zumal so bedeutende Personen wie Jesus von Nazareth. Ein weiteres hochbrisantes Dokument, das sich in diesem Konvolut befinden soll, sind die Tagebücher der Maria Magdalena – ihr persönlicher Bericht über ihr Leben mit Jesus, seine Kreuzigung und ihren Aufenthalt in Frankreich.«
Sophie blieb lange stumm. »Und diese vier Truhen sind der Schatz, den die Tempelritter unter dem Tempel Salomos gefunden haben?«
»So ist es. Es sind jene Dokumente, denen die Tempelritter ihre immense Macht verdankten und die im Laufe der Jahrhunderte Gegenstand der zahllosen Gralssuchen gewesen sind.«
»Aber sagten Sie nicht, dass Maria Magdalena der Heilige Gral ist? Weshalb bezeichnen Sie dann die Suche nach Dokumenten ebenfalls als eine Suche nach dem Gral?«
Teabing schaute Sophie an. Sein Blick wurde weich. »Weil sich im Versteck des Grals auch ein Sarkophag befindet.«
Draußen klagte der Wind in den Bäumen.
Teabings Stimme war leiser geworden. »Die Suche nach dem Gral ist letztlich die Sehnsucht, vor den Gebeinen Maria Magdalenas niederzuknien – eine Wallfahrt, um zu Füßen der Ausgestoßenen zu beten, der Trägerin des verloren gegangenen göttlich Weiblichen.«
»Das Versteck des Heiligen Grals ist eine Grabstätte ?«
Teabings Haselnussaugen nahmen einen verträumten Ausdruck an. »Ja. Es ist eine Begräbnisstätte, in der sich der Leichnam Maria Magdalenas befindet, zusammen mit den Dokumenten, die ihre wahre Lebensgeschichte belegen. Die Jagd nach dem Gral ist nie etwas anderes gewesen als die Suche nach Maria Magdalena – nach der um ihr Recht betrogenen Königin, der reine perdue , die mitsamt den Beweisen des legitimen Machtanspruchs ihrer Familie im Grab liegt.«
Sophie dachte an ihren Großvater. Vieles ergab immer noch keinen Sinn. »Haben die Mitglieder der Prieuré all die Jahre dem Druck der Gralssucher standgehalten und das Geheimnis der Sangreal-Dokumente und der letzten Ruhestätte Maria Magdalenas bewahren können?«, fragte sie.
»Ja. Aber der Bruderschaft obliegt noch eine weitere bedeutende Pflicht – der Schutz der Nachkommenschaft als solcher. Die Nachkommen Jesu waren stets gefährdet. Die Kirche konnte ein Wachsen und Gedeihen der Dynastie Christi nicht zulassen, denn damit würde sich früher oder später das Geheimnis offenbaren, dass Christus Maria Magdalena zur Gemahlin genommen hatte, was der Grundlage der katholischen Lehre den Todesstoß versetzt hätte – der Doktrin vom göttlichen Messias, der nichts mit Frauen zu schaffen hatte … oder gar sich mit einer Frau geschlechtlich vereinigt hätte.« Teabing holte Luft. »Dennoch konnte sich die Dynastie in Frankreich im Verborgenen entwickeln, bis sie sich im fünften Jahrhundert
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