Salambo
unterschieden sie in weiten Kreisen noch andere zahlreichere Lichter, denn die jetzt vereinigten Heere der Söldner nahmen viel Raum ein.
Salambo wollte geradeaus reiten. Doch der Läufer führte sie stark seitwärts. Bald ritten sie längs des Walls hin, der das Barbarenlager umschloss. An einer Stelle war ein Durchlass. Der Sklave verschwand.
Auf der Krone des Walles schritt ein Posten auf und ab, einen Bogen in der Hand, eine Lanze über der Schulter.
Salambo ritt auf ihn zu. Der Barbar kniete nieder, und ein langer Pfeil durchbohrte den Saum ihres Mantels. Als sie daraufhin unbeweglich stehen blieb, rief der Posten sie an und fragte nach ihrem Begehr.
âIch will mit Matho reden!â antwortete sie. âIch bin ein Ãberläufer aus Karthago.â
Der Soldat stieà einen Pfiff aus, der sich von Posten zu Posten wiederholte.
Salambo wartete. Ihr Pferd wurde unruhig und drehte sich schnaubend im Kreise.
Als Matho kam, ging der Mond gerade hinter Salambo auf. Doch da sie ihren gelben Schleier, auf dem schwarze Blumen gestickt waren, vor dem Gesicht und so viele Gewänder um ihren Leib trug, war sie unerkennbar. Von der Höhe des Walles herab betrachtete der Libyer die formlose Gestalt, die ihm im Abendzwielicht wie ein Gespenst erschien.
Endlich sprach sie zu ihm: âFühre mich in dein Zelt! Ich will es!â
Eine unklare Erinnerung schoss ihm durch den Kopf. Er fühlte, wie sein Herz pochte. Der gebieterische Ton schüchterte ihn ein.
âSo folge mir!â sagte er.
Die Absperrung fiel. Salambo war im Lager der Barbaren.
Lauter Lärm und Menschenmengen erfüllten es. Helle Feuer loderten unter aufgehängten Kesseln. Ihr purpurner Widerschein beleuchtete grell einzelne Stellen, während er andere in schwarzem Dunkel lieÃ. Man schrie und rief. Pferde standen in langen geraden Reihen angehalftert in der Mitte des Lagers. Die Zelte waren rund oder viereckig, aus Leder oder Leinwand. Dazwischen sah man Schilfhütten oder auch einfache Löcher im Sand, wie sie sich die Hunde scharren. Die Soldaten schleppten Faschinen, lagen mit aufgestütztem Ellbogen auf der Erde oder versuchten, in Decken gewickelt, zu schlafen. Um über sie hinweg zu gelangen, musste Salambos Pferd mehrere Male springen.
Sie entsann sich, viele dieser Leute schon gesehen zu haben. Nur waren ihre Bärte jetzt länger, ihre Gesichter schwärzer und ihre Stimmen rauer. Matho schritt vor ihr her und machte ihr mit Gesten des Armes, die seinen roten Mantel lüfteten, den Weg frei. Manche der Soldaten küssten ihm die Hände. Andere sprachen ihn in ehrfürchtiger Haltung an, um Befehle zu empfangen. Er war jetzt der wirkliche einzige Feldherr der Barbaren. Spendius, Autarit und Naravas hatten den Mut verloren. Er dagegen hatte so viel Kühnheit und Ausdauer an den Tag gelegt, dass ihm alle gehorchten.
Salambo ritt hinter ihm durch das ganze Lager. Mathos Zelt lag am Ende, nur dreihundert Schritte entfernt von Hamilkars Verschanzungen.
Zur Rechten bemerkte sie eine breite Grube, und es kam ihr vor, als ob über ihrem Rande dicht am Boden Gesichter auftauchten. Sie sahen wie abgeschnittene Köpfe aus, doch ihre Augen bewegten sich, und aus ihren halb geöffneten Lippen kamen Klagen in punischer Sprache.
Zwei Neger mit Harzfackeln standen an beiden Seiten des Zelteingangs. Matho schlug hastig die Leinwand zurück. Salambo folgte ihm.
Es war ein längliches Zelt mit einem Mast in der Mitte. Eine groÃe Lampe in Form einer Lotusblüte erleuchtete es. Sie war bis zum Rande mit gelbem Ãl gefüllt. Dicke Wergflocken schwammen darauf. Im Dunkel erkannte man blinkendes Kriegsgerät. Ein bloÃes Schwert lehnte neben einem Schild an einem Schemel. Peitschen aus Flusspferdhaut, Zimbeln, Schellen und Halsketten lagen bunt durcheinander auf geflochtenen Körben. Schwarze Brotkrumen bedeckten eine Filzdecke. In einer Ecke auf einer runden Steinplatte lagen Kupfermünzen nachlässig aufgehäuft, und durch die Risse in der Leinwand blies der Wind von drauÃen Staub und den Geruch der Elefanten herein, die man fressen und mit ihren Ketten rasseln hörte.
âWer bist du?â fragte Matho.
Salambo blickte sich langsam nach allen Seiten um, ohne zu antworten. Dann wandten sich ihre Augen nach dem Hintergrund des Zeltes und blieben auf einem bläulich glitzernden Gegenstand haften, der über einem Lager aus Palmzweigen hing. Sofort schritt
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