Salambo
wäre, kamst du zu mir, während ich schlief, in den Zaimph gehüllt. Deine Worte habe ich nicht verstanden, aber ich habe wohl gefühlt, dass du mich zu etwas Schändlichem verführen, mich in einen Abgrund stürzen wolltest ...â
Matho rang die Hände und rief: âNein, nein! Ich wollte ihn dir schenken! Ihn dir zurückgeben! Mir war, als hätte die Göttin ihr Gewand für dich hergegeben, als gehörte es dir! In ihrem Tempel oder in deinem Hause, â ist das nicht dasselbe? Bist du nicht allmächtig, rein, glänzend und schön wie Tanit?â
Und mit einem Blick voll unendlicher Anbetung fuhr er fort: âVielleicht bist du Tanit selbst!â
âIch â Tanit?â flüsterte Salambo wie zu sich selbst.
Sie schwiegen beide. Donner rollten in der Ferne. Vom Gewitter erschreckt, blökten Schafe.
âKomm näher!â begann er wieder. âKomm näher! Fürchte nichts! Früher war ich nur ein gemeiner Soldat im groÃen Haufen der Söldner. Ich war so sanftmütig, dass ich für die anderen das Holz auf dem Rücken schleppte. Was kümmert mich eigentlich Karthago! Sein Menschengewühl wimmelt wie verloren im Staube deiner Sandalen, und nach all seinen Schätzen, all seinen Provinzen, Flotten und Inseln gelüstet mich weniger als nach der Frische deiner Lippen und der Rundung deiner Brüste. Ich wollte Mauern brechen, um zu dir zu gelangen, um dich zu besitzen! Inzwischen habe ich mich gerächt. Ich zertrete jetzt die Menschen wie Muschelschalen, ich stoÃe mit den Händen die Lanzen beiseite, ich packe die Hengste an den Nüstern. Mich tötet das schwerÂste Geschütz nicht! O, wenn du wüsstest, wie ich mitten im Kampfe an dich denke! Zuweilen ergreift mich plötzlich die Erinnerung an eine Gebärde von dir, an eine Falte deines Gewandes. Das umschlingt mich wie ein Netz. Ich sehe deine Augen in den Flammen der Brandpfeile und auf dem Gold der Schilde. Ich höre deine Stimme im Schall der Zimbeln. Wende ich mich um, und du bist nicht da, â dann stürze ich mich von neuem in die Schlacht!â
Er reckte die Arme hoch, an denen sich die Adern kreuzten, wie Efeuranken am Stamme eines Baumes. Schweià rann zwischen den mächtigen Muskeln seiner Brust hinab. Sein Atem erschütterte seine Rippen und den ehernen Gürtel mit dem Riemenbesatz, der ihm herab reichte bis auf die Knie, die fester waren als Marmor. Salambo, die nur Eunuchen gesehen hatte, war von der Kraft dieses Mannes hingerissen. Das war die Strafe der Göttin oder der Zauber Molochs, der um sie her in fünf Heeren sein Wesen trieb! Mattigkeit ergriff sie. Halb betäubt hörte sie kaum noch den Ruf der Posten drauÃen, die in Intervallen einander zuriefen.
Die Flammen der Lampe flackerten unter dem stoÃweise eindringenden heiÃen Wind. Zuweilen zuckten grelle Blitzeâ¦
Hinterher wurde die Dunkelheit immer umso tiefer, und sie sah nichts mehr als Mathos Augen wie zwei glühende Kohlen durch die Nacht leuchten. Eins fühlte sie: dass das Schicksal sie hierher geleitet hatte, dass sie vor einer wichtigen unwiderruflichen Entscheidung stand. Sich aufraffend, ging sie auf den Zaimph zu und hob die Hände, um ihn zu ergreifen.
âWas tust du?â rief Matho.
âIch kehre nach Karthago zurück!â erwiderte sie ruhig. Er schritt mit verschränkten Armen und so furchtbarer Miene auf sie zu, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. âDu kehrst nach Karthago zurück?â stammelte er. Und zähneknirschend wiederholte er: âDu kehrst nach Karthago zurück? So, du kamst also, mir den Zaimph zu rauben, mich wehrlos zu machen und dann zu verschwinden! Nein, nein! Du gehörst mir! Und niemand soll dich mir wieder entreiÃen! Ach, ich habe den Hochmut deiner groÃen Augen nicht vergessen, auch nicht wie du mich mit deiner Schönheit zu Boden schmettertest! Jetzt ist die Reihe an mir! Du bist meine Gefangene, meine Sklavin, meine Magd! Rufe, soviel du willst, deinen Vater und sein Heer, die Alten, die Patrizier und dein ganzes verruchtes Volk! Ich bin der Herr über dreimal Hunderttausend Soldaten! Und noch mehr werde ich herbeiholen aus Lusitanien, aus Gallien und aus dem Schoà der Wüste, um deine Stadt zu zerstören und alle ihre Tempel zu verbrennen! Die Kriegsschiffe sollen auf einem Meer von Blut schwimmen! Kein Haus, kein Stein, kein Palmbaum soll von Karthago
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