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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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übrig bleiben! Versuche nicht zu entfliehen! Ich töte dich!“
    Bleich und mit geballten Fäusten stand er da und bebte wie eine Harfe, deren Saiten zu zerspringen drohen. Plötzlich aber erstickte seine Stimme in Schluchzen, und er sank in die Knie:
    â€žOh, vergib mir! Ich bin ein Ruchloser und weniger wert als ein Skorpion, als Kot und Staub! Eben als du sprachst, wehte dein Atem über mein Gesicht, und ich erquickte mich daran wie ein Verdurstender, der am Rand eines Bachs liegt und trinkt. Zertrete mich! Wenn ich nur deine Füße fühle! Verfluche mich! Wenn ich nur deine Stimme höre! Geh nicht fort! Habe Mitleid! Ich liebe dich! Ich liebe dich!“
    Er lag vor ihr auf den Knien, den Kopf zurück geneigt, und umschlang ihre Hüften mit beiden Armen, mit zuckenden Händen. Die Goldmünzen an seinen Ohren glänzten auf seinem bronzefarbenen Hals. Dicke Tränen quollen aus seinen Augen wie silberne Kugeln. Er seufzte verliebt und murmelte sinnlose Worte, die leiser als ein Hauch und süßer als ein Kuss waren.
    Salambo wurde von einer weichen Wollust ergriffen, die ihr alles Bewusstsein raubte. Etwas innig Menschliches und doch hoch Erhabenes, ein Gebot der Götter zwang sie, sich darin zu verlieren. Wolken trugen sie empor, und halb ohnmächtig sank sie nieder auf das Lager, in das Löwenfell. Matho ergriff sie an den Füßen. Da zersprang das goldene Kettchen, und die beiden Enden raschelten gegen die Leinwand wie zwei zuckende Schlangen. Der Zaimph fiel herab und umhüllte Salambo. Sie sah Mathos Antlitz sich über ihren Leib neigen.
    â€žMoloch, du verbrennst mich!“
    Die Küsse des Kriegers waren verzehrender als Flammen. Es war, als ob ein wilder Sturm sie fortriss, als ob die Glut der Sonne sie durchlodere.
    Er küsste ihre Finger, ihre Hände, ihre Arme, ihre Füße, die langen Flechten ihres Haars.
    â€žNimm den Mantel mit!“ sprach er. „Was liegt mir daran! Entführe aber auch mich! Ich will das Heer verlassen! Will auf alles verzichten! Dort hinter Gades, zwanzig Tageslängen weit im Meer, da liegt eine Insel, übersät von Goldstaub, Bäumen und Vögeln. Auf den Bergen wiegen sich große Blumen, voll Düften, die emporschweben wie der Rauch heiliger ewiger Lampen. Von Limonenbäumen, die höher ragen als Zedern, werfen milchweiße Schlangen mit diamantenen Zähnen die Früchte hinunter auf den Rasen. Die Luft ist so mild, dass man nicht sterben kann. Oh, diese Insel will ich finden, du wirst sehen! Wir werden in Kristallgrotten leben, am Fuße der Hügel. Noch wohnt niemand dort, und ich werde König des Landes werden!“
    Er wischte den Staub von ihren Schuhen. Er wollte ihr ein Stück Granatapfel zwischen die Lippen stecken. Er schob ihr Decken unter den Kopf, um ein Kissen für sie zu schaffen. Er suchte ihr auf alle Weise dienstbar zu sein und breitete schließlich den Zaimph über ihre Füße wie eine gewöhnliche Decke.
    â€žHast du noch die kleinen Gazellenhörner, an denen deine Halsbänder hingen?“ fragte er. „Die sollst du mir schenken! Ich habe sie so gern!“
    Er plauderte, als ob der Krieg beendet wäre. Er lachte fröhlich. Die Söldner, Hamilkar, alle Hindernisse waren jetzt verschwunden. Der Mond kam zwischen zwei Wolken hervor. Sie erblickten ihn durch ein Loch des Zeltes.
    â€žAch, wie viele Nächte habe ich verbracht, in seinen Anblick versunken! Es war mir, als sei er ein Schleier, der dein Antlitz verbarg. Du blicktest mich durch ihn an. Die Erinnerung an dich wird eins mit seinem Licht!“
    Sein Kopf ruhte zwischen ihren Brüsten. Er weinte ohne Ende.
    â€žDas ist er also!“ dachte Salambo. „Der furchtbare Mann, vor dem Karthago zittert!“
    Er schlief ein. Sie entwand sich seinen Armen und setzte einen Fuß auf die Erde. Da bemerkte sie, dass ihr Kettchen zerrissen war.
    Man gewöhnte die Jungfrauen der vornehmen Häuser daran, diese Fessel als etwas nahezu Heiliges anzusehen. Errötend knüpfte Salambo die Kette um ihre Knöchel wieder zusammen.
    Karthago, Megara, der väterliche Palast, ihre Kemenate, die Gegend, die sie durchritten, alles das tauchte in wildem bunten Wirrwarr vor ihr auf, aber doch in klaren Bildern. Ein tiefer Abgrund hatte plötzlich alles das von ihr getrennt und in unendliche Ferne gerückt.
    Das Gewitter verzog sich. Ab und zu klatschte noch ein Regentropfen

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