Salamitaktik
schaden, zu wenig Trauer genauer zu betrachten.
»Sie meinen, er arbeitet heute?«
»Ja.«
Die Frau schien sehr einsilbig zu sein.
»Und Sie sind?«
»Lavali. Die Putzfrau. Haben Sie einen Ausweis?«
Schlageter kramte ihn hervor und fragte: »Standen sich die beiden nahe, Herr und Frau Brockmann?«
Bevor die kleine Frau antwortete, schaute sie intensiv auf Schlageters Dienstausweis. »Kommen Sie herein.«
Er folgte ihr erwartungsvoll. Es schadete nie, sich ein Bild der Lebensumstände des Opfers zu machen.
Das Innere des Hauses schien vornehmlich aus Marmor, Glas und Gold zu bestehen. Dazu standen in den groÃen Räumen vereinzelt hochmoderne Möbel, von denen mit Sicherheit kein einziges von Ikea oder aus anderen Billighäusern stammte. Das sah selbst Schlageter. Er folgte der Frau bis in einen Salon, in dem ein Eimer mit leicht trübem Wasser neben einer groÃen Pfütze auf dem Marmorboden stand. Es roch nach einer Mischung aus Chemie und Orange. Die Frau packte den futuristisch wirkenden Mob und hielt sich daran fest, während sie ihn fragte, ob er etwas trinken wolle. Er verneinte und nahm auch nicht den angebotenen Platz auf einem sehr niedrigen schwarzen Ledersofa an.
»Ich glaube nicht, dass die beiden sich sehr nahe waren«, sagte Lavali. Es fiel Schlageter schwer, ihr Alter einzuschätzen. Sie sah jung aus, hatte glatte, samtig wirkende Haut in einem mittleren Braunton, ganz dunkelbraunes Haar, das sie lang, aber zu einem Zopf gebunden trug. Sie mochte ebenso gut fünfundzwanzig oder vierzig Jahre alt sein. Auffällig fand Schlageter ihre wachen Augen, die selbstbewusst auf ihm ruhten. Ihre Nase war leicht krumm, als sei sie einmal gebrochen und nicht von einem Arzt gerichtet worden.
»Wie meinen Sie das? Haben sie oft gestritten?«
Die Putzfrau schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe sie nie streiten gehört. Das ist ja das Komische. Bei meinen anderen Putzstellen gibt es immer mal Streit, aber nicht hier. Bitte, Sie sagen das doch nicht Herrn Brockmann, dass ich so mit Ihnen gesprochen habe?«
»Nein, keine Sorge.«
»Weil, wenn er erfährt, dass ich mit Ihnen über ihn gesprochen habe ⦠Ich brauche diese Arbeit.«
»Ich bin von der Kripo. Sie sind verpflichtet, mir wahrheitsgemäà zu antworten. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich niemandem sagen werde, was Sie mir erzählen.«
»Gut. Ich muss jetzt weiterputzen.« Sie wrang den Bodenwischer in einer Kunststoffvorrichtung über dem Eimer aus und widmete sich wieder ihrer Arbeit.
»Wie war Frau Brockmann so?«
Schlageter sah, dass wieder Tränen die dunkelbraunen Augen befeuchteten.
»Kalt. Sie war nicht besonders nett«, antwortete sie und wandte sich von Schlageter ab.
»Er ist netter?«
Die Inderin schüttelte den Kopf.
»Wie lange arbeiten Sie schon für die beiden?«
»Seit drei Jahren. Mein Mann und ich hatten ein Tandoori-Restaurant in Riehen, aber wir mussten schlieÃen. Ich putze seitdem, und mein Mann hilft als Koch aus und hat einen kleinen Catering-Service.«
Schlageter lieà sich die Adresse der Praxis nennen, bedankte sich und hatte plötzlich eine Eingebung. »Ich weiÃ, dass es ziemlich kurzfristig wäre, aber ich suche noch jemanden, der meine Partygäste morgen mit Essen versorgt. Das würde Ihr Mann nicht zufällig hinbekommen?«
Lavali schaute ihn nachdenklich an. »Morgen ist sehr knapp«, sagte sie. »Wie viel Uhr und wie viele Leute?«
»Also, es dürften so zwischen siebzig und achtzig Personen kommen. Ab neunzehn Uhr im Kanonenkeller in der Polizeidirektion. Was kostet so etwas überhaupt?«
Sie dachte kurz nach. »Ich kann Ihnen noch nicht hundertprozentig sagen, ob es gehen wird. Das sind ziemlich viele Gäste, und mein Mann müsste sich dafür ein paar Sachen leihen. Wenn es klappt, können wir Ihnen die Sachen aber sicher um neunzehn Uhr bringen. Kaltes und warmes Büfett mit Vorspeisen, Hauptgerichten und Dessert liegt bei zwölf Euro pro Person.«
»Also rund achthundert Euro«, überschlug Schlageter.
»Aber das ist ohne Getränke.«
»Kein Problem, die Getränke sind schon geklärt. Wissen Sie was, ich gebe Ihnen meine Karte. Rufen Sie mich bitte so schnell wie möglich an, wenn Sie wissen, ob es klappt. Das ist auch die Adresse der Polizeidirektion«, er zeigte auf die entsprechende Stelle der
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