Salamitaktik
wieder etwas mutiger. »Du kommst also jetzt mit Onkel Michael zurecht?«
»Ich wusste am Anfang nicht, was ich machen sollte«, antwortete Irfan ehrlich. »Er ist sehr nett. Deine GroÃmutter auch. Ich kann dir sagen, es würde mich im Innersten meines Herzens treffen, wenn ich gezwungen wäre, etwas zu tun, was nicht gut ist für deine GroÃeltern.«
Irfan sah, wie Mario zusammenzuckte. Irgendwo tat es ihm auch leid, aber er musste diesem Kerl endlich einmal klarmachen, dass es so nicht weiterging. Hätte er eine andere Idee gehabt, wie er ihn dazu bringen konnte, sich zusammenzureiÃen, hätte er das probiert, aber jetzt musste er es wohl auf die harte Tour lernen.
»Lass bloà meine Familie in Ruhe«, drohte Mario verstockt. »Die haben nichts mit deinen scheià Würsten zu tun.«
»Wenn es meine wären, sähe die Sache wahrscheinlich anders aus. Aber die Sucuk, die du verloren hast, gehören Onkel Umut. Manche in der Familie sagen, er sei mit dem Alter etwas weich geworden. Man sieht das zum Beispiel daran, dass er dich hat leben lassen. Aman Allahım! , du hast ihm sogar auf den Teppich gekotzt! Er ist wirklich ziemlich weich geworden. Aber das heiÃt nicht, dass man seine Befehle missachten darf.«
»Und was genau sind seine Befehle?«
»Keine Sucuk, kein Mario«, sagte Irfan geradeheraus und fügte mitfühlend hinzu: »Glaub mir, das ist nicht das, was ich möchte. Kein Mario bedeutet leider auÃerdem auch, dass deine Familie zu viel wissen könnte.«
»Du meinst, du willst uns alle umbringen?« Mario klang fast trotzig.
»Von wollen kann überhaupt keine Rede sein.« Irfan wurde bewusst lauter, als er weitersprach: »Meinst du etwa, mir macht diese ganze ScheiÃe SpaÃ? Meinst du, ich wäre nicht lieber bei meiner Familie, statt hier mit einem verdammten Kleinganoven rumzulaufen, um rauszubekommen, wer Onkel Umuts Sucuk hat?«
Mario antwortete nicht. Die Pause zog sich mit fast fünf Minuten gewaltig in die Länge. Dann fragte er: »Hast du schon einmal jemanden umgebracht?«
Irfan wusste, dass diese Frage früher oder später hatte kommen müssen. Er beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen: »Ja. Aber ich möchte das nicht mehr machen.«
6
»Ich habe jetzt einen Termin, sagte Schlageter zu Helbach, nachdem er eine knappe halbe Stunde über den Fakten gebrütet hatte. Zwar sprach alles dafür, dass das Ableben der Frau auf einen Unfall oder eine fahrlässige Körperverletzung zurückzuführen war, aber das Kribbeln in seinem Bauch, so, als hätte er zu scharf gegessen â ein untrügliches Anzeichen einer seiner berühmten Ahnungen â, wollte nicht verschwinden. Im Gehen schob er nach: »Vielleicht können Sie in der Zwischenzeit mal recherchieren, wie viele Leute im Schnitt eine Allergie gegen Krustentiere haben.«
»Krustentiere?«
»Krebse, Krabben und alles, was sonst noch so harte Schalen hat.«
»Bei Ihrer Abschiedsparty soll es Krebse geben?«
»Vielleicht bestelle ich neben Schweinebraten welche für die Vegetarier.«
»Vegetarier essen auch keine Krustenâ¦Â« Schlageter hörte den Rest schon nicht mehr, sondern schloss die Tür und machte sich auf den Weg zum Auto.
Was hatte er sich damals aufgeregt, als diese Handys in Mode kamen und jeder Depp seinem Idiotenkollegen sagen musste, wo er gerade war. Während die meisten Kommissare sich nach und nach so ein Ding anschafften, hatte Schlageter sich lange geweigert â ähnlich wie bei den Computern. Aber irgendwann hatte er sich doch eines zugelegt und fand es mittlerweile ganz praktisch. Zumindest konnte er jetzt während der Fahrt zur Wohnung von Peter Brockmann bei Walter Deininger, einem alten Bekannten, anrufen, der ihm seit vielen, vielen Jahren einen Gefallen schuldig war.
»Hallo, Walter, hier ist Hanspeter.«
»Das ist ja mal eine Ãberraschung. Wie gehtâs? Ich habe gehört, dass einige Leute froh sind, dich endlich loszuwerden.«
»Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Lieber nicht. Letzten Herbst hatten wir ein paar Fälle von ziemlich übler Pilzvergiftung. Das reicht mir. Und, noch alles fit? Was macht Jacqueline?«
»Sie raucht nach wie vor zu viel, aber ansonsten geht es uns sehr gut. Und euch?«
»Alles bestens. Die Chemo hat bei Babette gut angeschlagen. Aber dass du auf deine alten Tage
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