Salamitaktik
sollst?«
Trotz Lutzâ Protest schloss Schlaicher auch dieses Fenster. Dahinter waren aber noch weitere geöffnet. Das nächste zeigte ein vom Nutzer namens »Lefèvre« hochgeladenes YouTube-Video.
»Was ist das?«
Lutz druckste etwas herum, bevor er zugab: »Wohl auch Privatkram. Ich habe mir ein paar der anderen Shows angeschaut, weil ich diese Mathilde so süà fand. Ich glaube, die ist voll auf mich abgefahren.«
Schlaicher antwortete nicht, sondern startete das Video, ein Zusammenschnitt aus einer Show von vor drei Wochen in Basel. Alles lief genauso ab wie gestern hier im Karstadt. Fast alles, denn in Basel lieà Emanuelle Lefèvre die Schönheitsbehandlung an sich selbst durchführen. Als Mathilde einmal kurz im Hintergrund zu sehen war, zeigte Lutz auf sie. »Das ist doch mal âne Hübsche, oder?«
»Du hast gesagt, dass es noch mehr Shows auf Video gibt?«
»Ja, hier am Rand findest du die verwandten Videos.«
Schlaicher klickte sich durch. Die Filme waren alle in den vergangenen sechs Monaten an unterschiedlichen Orten aufgenommen worden. Einer in Zürich, einer in Berlin, andere in kleineren Orten. Allen gemein war der Ablauf der Präsentation, der dem der Show entsprach, die auch Schlaicher gesehen hatte. Eine weitere Gemeinsamkeit war, dass Emanuelle Lefèvre bei jedem Video selbst auf der Liege Platz nahm und sich von ihrer Mitarbeiterin behandeln lieÃ.
Nach dem fünften Film schloss Schlaicher das Fenster. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und dachte nach. Die Polizei schien Gründe zu der Annahme zu haben, dass Tamara Brockmann ermordet worden sein könnte. Sonst würde Schlageter der Sache nicht nachgehen. Ungewöhnlich war, das verstand Schlaicher jetzt, dass Emanuelle Lefèvre ausgerechnet Tamara Brockmann nach vorne geholt hatte. Da sie nämlich normalerweise gar niemanden aus dem Publikum zu holen schien, sondern ihre Wundercreme an sich selbst demonstrieren lieÃ. Hatte Sie also etwas mit dem Tod der Frau zu tun? Abgesehen davon, dass es ihre Creme war, die den anaphylaktischen Schock ausgelöst hatte? Hatte sie vielleicht von Tamara Brockmanns Allergie gewusst und sie deshalb aus den mindestens fünfhundert Frauen ausgewählt? Sie war geradezu zielstrebig auf sie zugegangen, erinnerte sich Schlaicher. Aber warum sollte Emanuelle Lefèvre bei ihrer eigenen Show eine Frau umbringen? Der Schaden, den sie durch den Todesfall erlitt, war noch gar nicht zu beziffern, aber er würde sicherlich gewaltig sein, wenn die Medien erst einmal richtig darauf ansprangen. Zudem war es nicht gerade unauffällig, eine Frau vor Hunderten von Zeugen zu meucheln.
Schlaicher fiel wieder ein, dass es vor der verhängnisvollen Auswahl von Tamara Brockmann diesen kurzen Moment gegeben hatte, als die Lefèvre wohl nach ihrem Telefon griff. Ein Warnsignal? Im Anschluss hatte sie die Frau aus dem Publikum geholt. Ja, auch die Mädchen waren verwirrt gewesen. Offenbar hatte sie wegen des Anrufs den Ablauf der Show geändert. Was mochte so wichtig sein, dass sie alles über den Haufen warf, um jemanden zurückzurufen?
»Wenn alles so gelaufen wäre wie normal, dann wäre nichts passiert«, bemerkte Lutz. »Nada, niente, nothing. Weniger als nur das geringste bisschen.«
»Ja, das mag sein«, antwortete Schlaicher nachdenklich. Normalerweise hätte Emanuelle Lefèvre sich selbst auf die Behandlungsliege begeben, und nichts wäre passiert â auÃer ⦠ja, auÃer der Anrufer hätte sie gewarnt, das nicht zu tun, weil er wusste, dass es einen Anschlag auf ihr Leben geben würde. Diese Annahme setzte aber voraus, dass die Lefèvre und zumindest noch jemand anderes wussten, dass ihr jemand etwas Böses wollte. Viel wahrscheinlicher war es, dass sie einen wichtigen Anruf erwartet und darauf reagiert hatte.
»Ãhm, was soll ich jetzt machen?«, fragte Lutz.
»Still sein«, befahl Schlaicher, doch er merkte schnell, dass er sich nicht mehr richtig konzentrieren konnte. Auf jeden Fall aber war er sich sicher, dass er eine Antwort auf all seine Fragen wohl nur von Emanuelle Lefèvre selbst bekommen konnte.
Gegen halb vier saà Schlaicher in seinem Wagen und fuhr nach Weil am Rhein, wo sich das Europalager der Emanuelle-Lefèvre-Kosmetik befand. Die Lefèvre hatte gestern Abend angedeutet, die nächsten Tage in ihrem Büro verbringen zu
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