Salamitaktik
sich langsam selbstständig zur Seite drehte. Die Hände und die Taschen verschiedener Personen waren mit roten Punkten markiert. Bei starker Annäherung der Markierungen â die Jungs hatten daran ewig rumprogrammiert, um die Fehlerrate zu reduzieren â zoomte die Kamera blitzartig heran.
Lutz musste mit sexy eher den Spitzen- BH als die Diebin gemeint haben, denn die sah aus, als würde sie den BH für ihre Enkelin einstecken.
»Und schon ist er verschwunden«, meinte Lutz. Die Kamera zeigte weiter, wie die voluminöse Dame sich umdrehte und wie beiläufig durch die Abteilung blickte. Dabei wurden die biometrischen Daten ihres Gesichts erfasst und könnten bei einem erneuten Besuch theoretisch von einer Kamera im Eingangsbereich abgeglichen werden. Ob die Aufnahmen rechtlich Verwendung finden könnten, müsste man noch herausfinden, aber im Falle eines erneuten Besuchs würden die Kaufhausdetektive konkret auf die Frau aufmerksam gemacht werden. Die Daten dienten also als Frühwarnsystem für einen späteren Besuch. Dass noch keiner vor ihm auf die Idee gekommen war, wunderte Schlaicher. Er hatte vor, das System nach den erfolgreichen Tests noch weiter zu optimieren und schlieÃlich zu einem bundesweiten Erfolgsmodell zu machen, zu einer Revolution der Kaufhaussicherung.
Lutz zeigte Schlaicher noch zwei weitere Diebstähle, die von den Kameras festgehalten worden waren. Beide Male war die Diebin gut zu erkennen.
»Sieht wirklich ganz so aus, als würde es funktionieren«, sagte Schlaicher erfreut.
»Na ja, wenn man die hundert Fehlalarme rausnimmt. Hier ist übrigens noch eine Situation, die ich nicht richtig einschätzen kann. Er klickte dreimal mit der Maus, und auf dem Monitor wurde eine andere Szene gezeigt. Diesmal handelte es sich um Aufnahmen der Testkamera, die im Erdgeschoss montiert gewesen war. Sie zeigte eine Szene, die sich während der Lefèvre-Vorführung abgespielt hatte.
Die Rechenleistung des Computers, der die Kameradaten empfing und die automatische Steuerung des Geräts übernahm, hatte bei den extrem vielen Händen und Taschen teilweise kapituliert. Die Bilder ruckelten, und zeitweise gab es sekundenlange Aussetzer, während der man nur noch flackernde rote Punkte erkennen konnte. Einen ganzen Saal voller Kunden würde man sonst aber auch ziemlich selten überwachen müssen. Als es wieder ruckte, befand sich das Bild danach in einer anderen Einstellung. Offenbar hatte der Hand-in-Richtung-Tasche-Algorithmus etwas entdeckt und den Schnellzoom aktiviert. Doch es waren so viele Leute unterwegs, dass die Tasche jetzt nicht mehr sichtbar war. Nur ein blassroter Punkt auf einem Frauenkörper, der zeigte, wo das Gerät die Tasche vermutete. Dafür sah man für einen Moment eine Hand, in der sich etwas Kleines, Längliches befand. Es sah aus wie eine Spritze, doch die Hand verschwand zu schnell wieder hinter dem Rücken einer anderen Frau, als dass man es mit Sicherheit sagen konnte.
»Und?«, fragte Lutz.
»Eine Spritze?«, tippte Schlaicher.
»Ja, würde ich auch sagen.«
»Vielleicht jemand, der Insulin spritzen muss?«
»In der Menge? Warum zeigt die Kamera nicht das Gesicht?«
»Wahrscheinlich konnte sie es nicht zuordnen. Wir können das aber mit den normalen Kameras abgleichen, wenn es wichtig ist.«
»Nein, lass mal. Letztlich ist es egal, ich denke nicht, dass irgendwo im Erdgeschoss Spritzen verkauft werden. Es war also auch kein Diebstahl. Gab es übrigens eine Aufnahme von der Lefèvre? Die hat während der Show auch einmal in ihre Tasche gegriffen.«
Lutz dachte kurz nach, musste dann aber verneinen. Schade, dachte Schlaicher. Er hätte sich das gerne noch einmal aus einem anderen Winkel angeschaut.
Er nahm die Maus und schloss das Fenster mit der Kameraaufzeichnung. Dahinter kam ein anderes Fenster zum Vorschein, das eine Internetseite zeigte. Offenbar handelte es sich um einen Anbieter, der Sprüche auf T-Shirts druckte. Ein Bild zeigte eine Vorschau: Auf einem weiÃen T-Shirt stand mit blauen Buchstaben »Dieser Körper enthält viele Proteine«.
Lutz grinste Schlaicher an. »Da sollten die Frauen doch drauf stehen, oder? Ich bin durch den Typ mit der Herrenhandtasche darauf gekommen. Cooler Name, was?«
Also doch. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du arbeiten und nicht irgendwelchen Privatkram machen
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