Salamitaktik
müssen, sodass er davon ausging, sie dort anzutreffen. Falls nicht, konnte er sich vielleicht mit ein paar Arbeitern unterhalten.
Zum Glück lenkte ihn sein Navi, denn ob er sonst die richtige Einfahrt im Hafenbereich gefunden hätte, bezweifelte Schlaicher doch sehr.
»Sie haben Ihren Bestimmungsort erreicht«, sagte die automatische Frauenstimme, doch damit konnte Schlaicher nicht allzu viel anfangen. Er befand sich in einer StraÃe, in der überall Lagerhallen standen, Lkws be- oder entladen wurden, Gabelstapler herumfuhren und Lageristen anderen Mitarbeitern Befehle zuriefen. Er stellte fest, dass an allen Gebäuden Namen der Unternehmen angebracht waren, und fuhr darum suchend in eine SeitenstraÃe hinein, in der er weitere Hallen sah. Eigentlich hätte er ein überdimensional groÃes Logo von Emanuelle Lefèvre erwartet, doch was er fand, war eine etwas kleinere, scheinbar namenlose Halle zwischen zwei ähnlich gebauten, vor der zwei Wagen geparkt waren. Einer davon war ein alter grüner Jaguar. Schlaicher stellte seinen Wagen daneben ab und stieg ein paar Stufen zu einer unscheinbaren Riffelglastür hinauf, wo er endlich an einer Klingel das Schild »Emanuelle Lefèvre Cosmetics« fand. Er klingelte allerdings noch nicht, sondern stieg die Treppe wieder hinab, um sich ein Bild von der Halle zu machen.
Etwas weiter links gab es eine Rampe, an die Lkw rückwärts anfahren konnten, um an- oder abzuliefern. Allerdings herrschte hier absolute Ruhe. Vor der benachbarten Halle, die zu einem anderen Unternehmen gehörte, war es im Moment deutlich belebter. Durch ein groÃes Rolltor sah er dort ein paar Männer in blauer Arbeitskleidung, die eine Palette voller Kartons mit Plastikfolie umwickelten und das Gesamtpaket dann zum Aufladen auf einen Kleinlaster fertig machten. Zwei andere Arbeiter standen an einer Tür weiter hinten und rauchten. Er drehte sich nach rechts. Hier war das nächste Gebäude deutlich weiter entfernt, es gehörte ebenfalls zu einer anderen Firma. Auf der betonierten Fläche davor konnten den weiÃen Markierungen auf dem Boden zufolge Lkws parken. Allerdings war kein Laster da, stattdessen nur ein dunkler BMW , in dem zwei dunkelhaarige Männer saÃen. Schlaicher sah, dass der Fahrer eine Zeitung in der Hand hatte und Rauch durch die halb geöffnete Fensterscheibe blies. Er wandte sich wieder zurück zur Tür. AuÃer dem Umstand, dass die Lagerhalle noch nicht allzu alt sein konnte, war ihm nichts weiter aufgefallen. Er klingelte und stellte sich darauf ein, dass es etwas dauern konnte, bis man ihm öffnete. SchlieÃlich erschien ein Mann in Arbeitskleidung, doch die sah viel sauberer aus als die der Männer aus der Nachbarhalle. Er war gut einen Kopf kleiner als Schlaicher und wahrscheinlich zehn Jahre älter. Sein vorstehender Bierbauch zeugte davon, dass er Gerste und Hopfen schätzte, und man sah ihm an, dass er nicht verweichlicht war, sondern trotz seiner GröÃe und seines Alters Schlaicher wahrscheinlich jederzeit zusammenfalten könnte, ohne aus der Puste zu geraten. Mit lustigen Augen schaute er ihn an.
»Guten Tag, Rainer Maria Schlaicher. Ich möchte zu Frau Lefèvre.«
»Kommen, kommen«, sagte er freundlich mit osteuropäischem Akzent und winkte Schlaicher hinter sich her. Sie marschierten durch die Halle, die mit zahlreichen Regalen vollgestellt war. Darin standen, ordentlich aufgereiht, Pappkartons unterschiedlichster GröÃe. Zwischen den nach beiden Seiten hin offenen Regalwänden war genug Platz, damit ein Hubwagen durchsteuern konnten, um auch die ganz oben, in etwa vier Metern Höhe, auf Paletten gelagerten Kisten herunterholen zu können. Sie passierten den Packbereich, wo zwei Frauen, etwa im gleichen Alter wie der Mann, Pakete füllten, diese mit Packband verschlossen und schlieÃlich mit vorgedruckten Adressaufklebern versahen.
»Nicht viel los im Moment, oder?«, fragte Schlaicher seinen Führer. Die drei schienen die einzigen Arbeiter in der Halle zu sein und wirkten darin ziemlich verloren.
»Kommen an Montag, dann alles voll«, sagte der Mann, der erstaunlich schnell ausschritt und ihn zu einer Metalltreppe führte. Er wies hinauf, blieb aber mit den Worten »Pause vorbei« selbst unten und eilte zu einem der Gabelstapler.
Schlaicher fand sich auf einer kleinen Galerie wieder, die längs der Halle verlief und mit mehreren
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