Salomes siebter Schleier (German Edition)

oder die Falafel wären ganz schön am Dampfen. In Erwartung des Letzteren war Zif zu einer längeren Reise nach Frankreich aufgebrochen. Boomer machte sich keine Sorgen. Was konnte ihm schon passieren? Nachdem die Sendung des mittlerweile verschiedenen Buddy Winkler mit allem möglichen Armageddon-Zubehör abgefangen worden war, hatte man ihn ohnehin aufgefordert, das Land binnen dreißig Tagen zu verlassen.
    Trotz alledem hegte Boomer die Hoffnung, dass seine Statue überleben würde. Deshalb zog er Morgen für Morgen los, um ihren Zustand zu kontrollieren. Wenn er nach Hause kam, vergnügte er sich in der Verkleidung
du jour
mit Ellen Cherry. Sie gab gern zu, dass dies gelegentlich aufregend sein konnte, zum Beispiel, wenn er als Nonne verkleidet war, aber heute war er als städtischer Rattenfänger losgezogen, und ihr wurde klar, dass sie irgendwo eine Grenze ziehen musste.
    Abgesehen davon war die Zukunft ungewiss. Zweifellos würde sie Jerusalem zusammen mit Boomer verlassen, obwohl ihre Neugier auf die neue Dimension des Seins, die hier das Licht der Welt erblicken sollte, noch keineswegs befriedigt war. Sie sprachen davon, irgendwo in der Nähe von Seattle ein Haus zu bauen; ein geräumiges, rustikales Heim irgendwo in den immergrünen Hügeln – wenn sie einen finden konnten, dem die Holzindustrie nicht bereits bei lebendigem Leib die Haut abgezogen hatte. Dort würde sie den Ball im Auge behalten und malen. Malen, malen und malen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als es Schönheit zu nennen, ein besseres Wort gab es nicht, um zu beschreiben, womit sie sich beschäftigen würde. Ohne deswegen sentimental oder selbstgerecht zu werden, oder auch nur spirituell und rein. Und sie würde auch nicht in die Defensive gehen, wenn man sie missverstand oder über sie lachte. Sie würde die Schönheit nicht wie ein Banner vor sich her tragen, noch in ihr Zuflucht vor der Welt suchen wie ein Einsiedler in seiner Klause. Schönheit wäre ganz einfach ihr tägliches Brot.
    Doch im Moment gab es andere Dinge, über die sie nachdenken musste. Zum Beispiel das, was ihr – und wer weiß wie vielen anderen noch – offenbart worden war, als Salome den Tanz der sieben Schleier getanzt hatte. Die Offenbarungen konnten zur Folge haben, dass sie sich in eine gänzlich unerwartete Richtung entwickelte. Möglicherweise passierte das auch den anderen. Welchen Effekt, wenn überhaupt einen, dieses Mutantenwachstum in diesen «letzten Tagen» der Erde auf die Kultur als Ganzes haben würde, blieb abzuwarten. Bis dahin war der Garten hier in Jerusalem, dieser sonnige Patio in der Gebärmutter der Welt, ein hübscher Ort, um über all das nachzudenken.
    Ellen Cherry war entspannt, ruhig, im Einklang mit sich und der Welt. Die Fahrt auf der Achterbahn war vorbei. Diese Jahre, in denen sie an einem Tag das Gefühl gehabt hatte, allen Problemen gewachsen zu sein, und am nächsten, zwischen ihnen zerrieben zu werden, waren von ihr abgefallen wie die Blätter von einem Kalender. Die bizarren Ereignisse, die sie in New York verfolgt hatten: nur noch rasch verblassende Erinnerungen. Von nun an, das spürte sie, würde ihr Leben stabil sein, vielleicht sogar solide; das Leben eines relativ normalen Künstlers, in dem sich relativ normale Ereignisse abspielten. Sie seufzte wie ein Daunenkissen, das von einem alten norwegischen Dienstmädchen ausgeklopft wird. Gemächlich trank sie einen großen Schluck Tee.
    Wenige Augenblicke später stürmte Boomer in den Garten. Er sah nicht aus wie Boomer, aber er war es. Er hatte etwas in der Hand, das er ihr überreichte wie ein Geschenk. Gott, sie hoffte, dass es nicht der Schwanz einer toten Ratte war.
    «Guck dir das an, Zuckerpfläumchen!», rief er aufgeregt. «Guck, was ich im Dreck der Pales-Plaza für dich gefunden habe. Einen Löffel! Einen kleinen alten Löffel! Genau wie der, den wir damals in der Höhle verloren haben.
Haargenau
gleich!»

Über Tom Robbins
    Tom Robbins, geboren in Blowing Rock/Virginia, wuchs im Süden auf und studierte Kunst, Musik und Religion. Er arbeitete bei verschiedenen Provinzblättern und lebt heute als freier Schriftsteller in der Nähe von Seattle. Seine vitalen und irrwitzigen Romane wie «Salomes siebter Schleier» machten ihn zum Kultautor.
     
    Weitere Veröffentlichungen:
    Buntspecht
    Ein Platz für Hot Dogs
    Pan Aroma. Jitterbug Perfume
    Halbschlaf im Froschpyjama
    Sissy – Schicksalsjahre einer Tramperin
    Völker dieser Welt, relaxt!
    Villa