Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
leuchten in ständig wechselnden Farben wie Hologramme. Am liebsten mag ich die Trostengel, die eher wie Menschen aussehen. Sie tragen weiche, wallende Gewänder und glänzen so hell, dass man ihre Gesichter fast nicht erkennen kann. Der Engel, der zu uns kam, stellte sich als »Engel der funkelnden Sterne« vor. Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen. Sein glitzerndes Gewand umwogte mich, und ich fühlte, dass ich etwas Besonderes war. »Für dieses Leben werde ich dein Schutzengel sein, Salomon«, sagte er.
Meine Aufgabe kam mir nicht besonders schwierig vor, weil ich Ellen mochte. Ich war sehr aufgeregt, wieder zur Erde zurückzukehren. Dort gab es Dosen mit leckerem Katzenfutter, wärmende Feuer im Kamin und diese netten Mäuse. Ich konnte es kaum erwarten.
»Du musst wieder als Kätzchen zur Welt kommen«, sagte der Engel der funkelnden Sterne. »Ich werde dir zwar helfen, aber du musst auch etwas tun. Es geht ja nicht nur um Ellen, du musst noch eine Menge lernen.«
»Ich wäre gern ein mächtiger Kater«, sagte ich. »Einer, der richtig tief schnurren kann. Mit einem schwarzen, glänzenden Fell, einer weißen Brust und weißen Pfoten. Und wirst du mich bitte gleich an die richtige Adresse schicken? Das letzte Mal bin ich zuerst beim Tierschutzverein gelandet, bevor Ellen mich gefunden hat.«
»Dieses Mal wirst du sie suchen müssen«, sagte der Engel. »Du musst lernen, deine übersinnlichen Fähigkeiten einzusetzen.«
»Übersinnliche Fähigkeiten?«, fragte ich.
»Die Menschen nennen das Satellitennavigation«, sagte der Engel und lächelte. »Bist du sicher, dass du das machen willst, Salomon?«
Wehmütig sah ich mich in meinem wunderbaren Zuhause in der unsichtbaren Welt um. Mein Dasein als Schimmerkatze gefiel mir. Ich konnte machen, was mir gefiel. Keiner warf mich raus in den Regen oder bestreute mich mit Flohpuder.
Doch dann dachte in an Ellens Haus mit den großen Fenstern, durch die die Sonne schien. Dort hatte ich ein Lieblingskissen aus Samt in der Farbe von goldenem Bernstein. Und die Treppen waren ein toller Spielplatz – der beste, den ich je gehabt hatte. Außerdem gab es bei Ellen eine gemütliche Küche und einen Kirschbaum im Garten.
Ich war Ellens Katze gewesen, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie liebte mich mehr als alles andere in ihrem Leben. Solange ich nicht schnurrend auf ihrem Bett lag, wollte sie nie ins Bett gehen. Sobald ihre Mutter dann das Licht gelöscht hatte und nach unten gegangen war, machte es Ellen wieder an und spielte mit mir. Wenn wir irgendwann müde waren, zeigte mir Ellen ihr geheimes Tagebuch und las mir daraus vor. Sie hatte eine wundervoll melodische Stimme, die ich als Einziger hörte. Ellen sprach nicht viel mit anderen Menschen. Sie machte auch keine Hausaufgaben oder räumte ihr Zimmer auf. Sie wollte nur tanzen.
»Ich muss dich vorwarnen: Ellen ist in einem Zustand, in dem sie vielleicht nicht fähig ist, sich anständig um dich zu kümmern«, sagte mein Engel. »Sie hat einen kleinen Jungen, der gerade anfängt zu laufen. Ihr Ehemann schreit sie dauernd an, und sie haben ziemlich große Probleme.«
»Ich will gehen«, sagte ich standhaft.
Mein Engel zögerte, als ob er mir noch etwas sagen wollte.
»Und«, flüsterte er. »Dann gibt es da Jessica.«
»Jessica?«
Mein Engel schwieg und bedachte mich mit einem liebevollen Blick aus seinen silbrigen Augen.
»Ich bin sicher, Salomon wird es gut gehen«, sagte Ellens Mutter. »Er ist eine Heilerkatze. Und er ist tapfer und frech. Er wird es schaffen.«
Als der Zeitpunkt meiner Geburt gekommen war, sah ich, wie mein Engel in einem Farbenwirbel aus sprühenden Funken verschwand. Die Sterne verschwammen, und auf einmal sauste ich durch das All. Lichtblitze zuckten, und ich durchbrach das große goldene Netz, das die unsichtbare Welt von der Erde trennt. Das war richtig toll.
Dann veränderte sich alles. Leider zum Schlechteren.
Ich verlor meine Gestalt als Schimmerkatze und wurde in ein kleines würstchenförmiges Etwas gezwängt, das gerade als Kätzchen auf die Welt kam. Auf einmal konnte ich mich nur noch winden und leise wimmern. Es war entsetzlich. Meine Augen gingen nicht auf. Ich konnte nicht laufen. Ich konnte nicht sehen, welche Farbe mein Fell hatte. Warum hatte ich das nur gewollt? Ich war keine richtige Katze mehr, sondern eine Fellwurst!
Aber ich war nicht allein. Vier von uns bildeten einen schnurrenden Haufen aus Seide, der sich rhythmisch bewegte. Die Macht der Katzenmutter
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