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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheila Jeffries
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erfüllte mein ganzes Sein, als sie mich ableckte und säugte.
    Neun Tage später öffneten sich meine Augen. Neben dem Rand eines Korbes erblickte ich einen warmen Ofen. Ich sah meine Beine an. Sie waren schwarzglänzend mit weißen Pfoten – genauso, wie ich es mir gewünscht hatte. Große Füße liefen um uns herum, zwei in Schlappen und zwei in Stiefeln. Dauernd griffen Hände nach uns, um sanft unsere Köpfchen zu streicheln. Keine Ellen weit und breit. Doch ich hatte die Hoffnung, dass sie kommen und mich mitnehmen würde.
    Ich hatte eine glückliche Zeit als Katzenkind. Von Anfang an wurde ich dauernd hochgehoben und an Herzen gedrückt, die so langsam schlugen, dass ich fürchtete, die Menschen würden zwischen zwei Herzschlägen sterben.
    »Der kleine Schwarze mit den weißen Pfoten wird uns bis zum Schluss bleiben. Sie nehmen als Erste immer die Hübschen.«
    »Tja, er ist der Kümmerlichste in dem ganzen Wurf. So winzig.«
    Der Kümmerlichste? Ich? Das konnte doch nicht sein!
    Bald waren aus uns kleine Kätzchen geworden, die wie Tennisbälle herumsprangen, Vorhänge hochkletterten und unter Decken verschwanden. Die Menschen lachten über uns. Doch ich war ungeduldig. Ich wollte endlich erwachsen sein und Ellen treffen.
    »Er sieht so wehmütig aus, der kleine Schwarze.«
    Meine Leidenschaft war es, aus dem Fenster zu sehen, ob Ellen nicht endlich die Straße herunterkam. Leute besuchten uns und suchten sich ein Kätzchen aus. Jedes Mal sträubten sich meine Schnurrhaare erwartungsvoll.
    »Versteck dich!«, befahl mein Engel eines Nachmittags streng. Das war das erste Mal seit meiner Geburt, dass er gesprochen hatte, also reagierte ich schnell. Ich schoss unter den Lehnstuhl, kroch durch ein Loch im Stoff ins staubige Innere des Stuhls und lauschte den Neuankömmlingen.
    »Ich würde zu gern ein schwarzes Kätzchen haben.«
    Das war nicht Ellens Stimme.
    »Wir haben irgendwo eins.«
    »Schau mal unter dem Stuhl.«
    Sie schoben den Stuhl zur Seite, doch ich saß gut verborgen in seinem Inneren. Sie fanden mich nicht.
    Schließlich nahmen die Besucher die beiden verbliebenen Kätzchen mit. Als ich wieder auf der Bildfläche erschien, hatte ich niemanden mehr zum Spielen. Ich war acht Wochen alt und wollte schnell erwachsen werden.
    Aber Ellen kam nicht. Sie kam und kam einfach nicht.
    Ich fraß nichts mehr. Ich war eine Katze mit einer Mission, und Fressen interessierte mich nicht. Ich saß nur noch am Fenster und wartete auf Ellen.
    »Er ist krank.«
    »Wir müssen ihn zum Tierarzt bringen.«
    Das machten sie dann auch. Es war meine erste Erfahrung mit dem Katzenkäfig, der quietscht und in dem du hin und her geschleudert wirst. Doch weil ich schlau war, hielt ich still. Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, meine Energie für einen Fluchtversuch zu verschwenden.
    Der Tierarzt hielt mich am Nacken hoch und fuhr mit seinen Fingern über meinen Körper. Er drückte meine Pfoten und meinen Schwanz. Dann öffnete er mir gewaltsam das Maul und sah hinein. Seine Finger rochen wie der Küchenfußboden. Er legte mich auf einen kalten Tisch. Dann sagte er etwas sehr Beleidigendes für eine stolze kleine Katze wie mich.
    »Er ist wohl der Kümmerling des Wurfs.«
    »Aber er ist total lieb. Wirklich ein besonderes Kätzchen. Wenn ihn keiner will, behalten wir ihn selbst.«
    Sie zwangen mich zum Fressen, aber ich sehnte mich immer noch nach Ellen. Ich vertrieb mir die Zeit damit, im Garten herumzustreunen und mir hochgelegene Sitzplätze zu suchen, von denen aus ich nach Ellen Ausschau halten konnte.
    Seit ich einen Körper hatte, fiel es mir schwerer, meinen Engel wahrzunehmen. Ich musste mich sehr konzentrieren und alle anderen Eindrücke ausblenden. Trotzdem sah ich ihn nur verschwommen.
    »Nur zu warten hat keine Sinn, Salomon«, sagte er. »Nutze deine Fähigkeiten.«
    An diesem Sommermorgen war es bewölkt und düster. Ich schloss meine Augen und versuchte, das einzusetzen, was der Engel einmal meine übersinnlichen Fähigkeiten genannt hatte. Und tatsächlich, sofort begriff ich, wo Ellen sich befand. Südlich von hier. Ich konnte die Richtung ziemlich einfach herausspüren.
    Das mit der Entfernung gestaltete sich schwieriger. Mich schauderte bei der Vorstellung, wie weit Ellens Haus weg war – Hunderte von Meilen.
    Ich betrachtete meine zarten weißen Pfötchen und zwirbelte meine Schnurrhaare. Hunderte von Meilen waren eine ziemliche Herausforderung für den Kümmerling des Wurfs. Diese Bezeichnung ärgerte

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