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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheila Jeffries
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dürfen.«
    In diesem erleuchteten Moment erkannte ich, wie weise die Engel gewesen waren. Sie hatten all das für mich geplant: die lange Reise und die Ankunft auf Ellens Rasen, wo ich so jämmerlich ausgesehen hatte. Wäre ich in derselben Straße geboren worden, hätte Ellen nie nach mir gesucht, denn sie hatte ja schon Jessica. Doch dadurch, dass sie an Ellens mütterliche Instinkte für ein verlassenes Katzenkind appelliert hatten, sicherten sie mir einen Platz in ihrem Zuhause und in ihrem Herzen.
    Ich wunderte mich, warum Ellen nicht mehr tanzte. Sie spielte auch nicht mehr Klavier. Eines Tages war Joe nicht da und John schlief. Ich setzte mich aufs Klavier und sah Ellen an. Ich wusste, dass sie auf meine Gedanken reagierte. Also übermittelte ich ihr, was ich dachte. Und tatsächlich, es funktionierte.
    »Versuchst du, mir etwas zu sagen, Salomon?«, fragte sie.
    Ich legte mein Kinn auf den polierten Deckel des Klaviers und spürte die verstummten Saiten in seinem Inneren, die nur darauf warteten, wieder angeschlagen zu werden. Ich träumte von den perlenden Musikstücken, die Ellen als Kind gespielt hatte, und schickte ihr meinen Traum.
    Sie sah auf die Uhr. Dann setzte sie sich nieder und klappte den Deckel auf. Ich war begeistert. Mein Fell sträubte sich erwartungsvoll, während ich auf die Musik wartete.
    Doch daraus wurde nichts.
    Ellen saß einfach da, ihre schlanken Finger ruhten wie erstarrt auf den schwarzen und weißen Tasten. Dann knallte sie auf einmal den Deckel zu und brach in Tränen aus. Sie warf sich aufs Sofa und schluchzte und schluchzte.
    Entsetzt sprang ich neben sie, schnurrte und leckte ihr die Tränen von den heißen Wangen. Mehr konnte ich nicht tun.
    Ich wusste, dass Ellen unglücklich war. Oft saß sie so müde im Garten, dass sie fast vom Stuhl fiel. Sie stellte sich geduldig auf Johns überschäumendes Wesen ein. Sie war immer für ihn da, spielte mit ihm, las ihm vor und lachte mit ihm. Ellens übermächtige Mutterliebe tat ihr nicht gut. Verletzte sich John, geriet sie völlig außer sich, und war er krank, dachte sie immer, er würde sterben. Sie machte sich einfach zu viele Sorgen.
    »Warum ist sie nicht glücklich?«, fragte ich eines Morgens meinen Engel. Ich saß auf einem Zaunpfahl im Garten und genoss die ersten Sonnenstrahlen.
    »Sie hat Angst.«
    »Vor Joe?«
    »Ja. Aber vor allem fürchtet sie, kein Dach über dem Kopf zu haben und verhungern zu müssen. Als Mutter ist sie sehr verletzlich – sie muss ihr Kind behüten und ernähren und ihm ein Zuhause bieten. Und ihr Mann handelt unklug. Er macht Schulden.«
    Als der Engel mir erklärte, was Schulden waren, begann ich, mir Sorgen zu machen. Ich konnte mein Zuhause verlieren – und das nach diesem Höllentrip im Lastwagen. Ich war immer noch ein Kätzchen. Wer würde mich füttern? Konnte ich bleiben und Jessicas Geliebter werden?
    Der Engel sprach von »Zwangsräumung« und erklärte mir auch, was das bedeutete. Der Gerichtsvollzieher konnte Ellen ihr wundervolles Haus wegnehmen und die Familie auf die Straße setzen.
    Ich kletterte von dem Pfahl hinunter, fühlte mich alt und in die Verantwortung genommen. Eine schwere Last für ein Kätzchen. Ich wollte nicht mehr mit dem Engel reden. Spirituelle Eigenschaften waren auf der Erde nicht besonders gefragt. Das Überleben ging vor. Dazu waren in etwa folgende Maßnahmen notwendig: zu fressen und ein warmes, trockenes Plätzchen zu haben. Das Fell sauber zu lecken. Nicht in das Herrschaftsgebiet anderer Katzen einzudringen. Sich Hunden gegenüber durchzusetzen. Sich von Jessicas Korb fernzuhalten. Menschen dazu zu bringen, die Tür zu öffnen. Nicht die Vorhänge hochzuklettern. Menschen zu vergeben, wenn sie auf dich treten. Nicht den Käse vom Tisch zu stibitzen, auch wenn Jessica das machte. Und so weiter und so fort. Da blieb nicht mehr viel Zeit übrig, um Ellen zu lieben.
    Aber Liebe war alles, was ich ihr zu bieten hatte.
    So schlenderte ich in die Küche, strahlend vor Liebe und suchte den Augenkontakt mit Ellen. Sie hob mich hoch und drückte mich an ihr Herz. Sofort machte ich mir Sorgen, weil es ungewöhnlich laut und schnell schlug. Also drückte ich meine Wange dagegen und schnurrte und schnurrte.
    »Salomon liebt mich jedenfalls«, sagte Ellen trotzig zu Joe. Seine Aura war dunkel und stachlig wie eine Klette. Ich konnte die zerstörerische Kraft in Ellens hübscher Küche spüren. John saß auf seinem Plastiktraktor in der Tür und sah seine Eltern

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