Salon der Lüste - 3
allerdings weniger belustigt drein, als er bemerkte, dass sie Verstärkung mitgebracht hatte. »Tut mir leid, Lady, wir haben unsere Befehle.«
Ivy drückte den Abzug. Die Kugel traf ihn nicht in den Schädel, weil sie im letzten Moment das Ziel geändert hatte, sondern landete im massigen Oberschenkel des Grobians. Schreiend sackte er auf das Pflaster.
Leider hatte sie keine Gelegenheit zu triumphieren, denn noch während der Mann zu Boden ging, wurde sie jäh aus dem Sattel gerissen. Zwei seiner Gefährten hatten sie gepackt, und einer boxte ihr in den Bauch - sehr fest. Sie rang nach Luft.
Gleichzeitig schossen ihr Tränen in die Augen, und sie kippte nach vorn. Eine grobe Hand an ihrem Arm verhinderte, dass sie ebenfalls auf die Pflastersteine aufschlug.
Wieder knurrte Saint. Der Brandgeruch wurde intensiver, so dass Ivy aufsah. Das Netz dehnte sich, denn Saint streckte seine Hand aus. Seine Finger zwischen den Maschen waren blutig und roh, doch er griff nach dem Kerl, der sie geschlagen hatte, und knallte ihn mit solcher Wucht gegen die Kutsche, dass er bewusstlos wurde. Ivy wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte Saint seine ganze Kraft eingesetzt.
Der Mann, der sie festhielt, wurde von George sowie einem anderen Wächter aus dem Maison Rouge überwältigt, und die übrigen Schurken flohen vor sechs wütenden pistolenschwingenden Prostituierten.
Gekrümmt wie eine Greisin und am ganzen Leib zitternd, klammerte Ivy sich an die Kutschentür.
»Geht es?«, fragte Saints Stimme, die zwar heiser klang, Ivy jedoch Tränen der Erleichterung entlockte.
»Ob es geht?«, schniefte sie. »ja, alles bestens. Aber du bist schwer verletzt. «
»Ich erhole mich wieder.«
Sie zog an dem Silbernetz, das ihn gefangen hielt. Die dünnen Fäden bogen sich, wollten aber nicht reißen. Wie winzige Klingen schnitten sie ihr in die Hände.
Saint schüttelte den Kopf. »Hör auf, Ivy!«
Tränen strömten ihr übers Gesicht, während sie sich immer verbissener abmühte.
»Ich kann es nicht aufbekommen!«
»Ivy!«
Sie erstarrte und sah ihn an. Die Zärtlichkeit in seinen Augen überraschte sie.
Überall auf seinem Gesicht war Blut, und es war unmöglich zu sagen, wie übel seine Verwundungen waren.
»Wir müssen es zerschneiden«, erklärte er leise. »Bring mich ins Maison Rouge. Die Sonne geht bald auf.«
Sie blickte nach Osten und sah das vertraute Orange am Horizont. Dann schaute sie wieder Saint an, der grausame Schmerzen leiden musste. Obwohl die Sonne eben erst aufging, verbrannte sie ihn bereits mit ihrem Licht.
»Helft mir!«, rief sie den anderen zu. Sie konnte nicht mehr klar denken, wusste nur, dass sie Saint retten musste. Das war das Allerwichtigste.
Plötzlich wurde sie von starken Armen zur Seite gehoben, und kräftige Körper drängten sich an ihr vorbei. Die. Männer versperrten ihr die Sicht auf Saint, den sie vorsichtig in die Kutsche manövrierten, um ihn nicht noch mehr zu verletzen. Zwei der Mädchen nahmen sich Ivys an und führten sie zur Kutsche.
»Keine Sorge«, sagte Beatrice und umarmte sie, »er wird wieder! Dein Mann kommt wieder auf die Beine.«
Ihr Mann? War Saint das denn?
»Ich würde auch jedem eine Kugel verpassen, der meinem George etwas antun will«, versicherte das Mädchen, half Ivy in die Kutsche und hüllte sie in eine Decke.
Tatsächlich fror Ivy auf einmal ganz schrecklich.
»Ich habe auf einen Mann geschossen.« Ihre Stimme klang seltsam weit weg. Ivy lugte aus dem Fenster. Der Angeschossene lag noch auf der Straße. »Was werden sie mit ihm machen? «
»Ihn am Leben erhalten, bis Mr. Saint mit ihm geredet hat, denke ich.« Beatrices Lächeln war streng, aber auch siegesgewiss. »Was danach geschieht, liegt bei ihm.«
ja, natürlich. Beatrice schloss die Kutschentür, als der Wagen mit Saint vorbeirollte.
Ivy dankte Gott, dass er geschwärzte Fenster hatte. Dennoch blieb Saint in dem Silber gefangen, bis sie ihn herausschnitten. Konnte es ihm dauerhafte Schäden zufügen? Konnte es ihn umbringen?
»Bringt mich nach Hause«, bat sie leise. »Ich will bei ihm sein.«
Beatrice nickte. »Ich hole George.«
Die anderen Männer packten den Verletzten auf den Kutschbock, wo sie ihn festbanden. Dann hievte George sich ebenfalls nach oben. Eliza stieg blass und zitternd zu Ivy in den Wagen. Annabelle war hinten an die Kutsche gebunden und trottete hinterher.
»Ach, Ivy, es tut mir so leid! «
Ivy hob ihre Decke und klopfte auf den Platz neben sich.
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