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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoite Groult
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der Tischdecke zerkrümelt.
»Das Problem ist, daß es für uns beide wohl nicht ganz leicht sein wird. Ich werde bei Südafrika herumkreuzen, wenn ich mich auf die Geschichte einlasse.«
»Was verstehst du unter ›nicht ganz leicht‹?«
»Na ja… dann können wir uns vielleicht sehr lange nicht sehen.«
»Das scheint dich aber nicht sehr zu beirren.«
»Was willst du, so ist halt mein Beruf.«
»Du würdest mich opfern, um noch ein wenig mehr Fisch in einem noch entfernteren Land zu fangen? Willst du das sagen?«
Die Anstandsdame, die sich schon schlafen gelegt hatte, landet im Tiefflug auf dem Restauranttisch. Sie spürt, daß sie etwas verpassen könnte. Hast du dich und deinen Ton gehört? Allmählich redest du wie eine Fischersbraut aus Paimpol!
»Es ist mein Beruf«, wiederholt Gauvain, »und wenn man diesen Beruf gewählt hat, hat man keine Wahl. Man muß seine Arbeit machen, wie es sich gehört, Punkt«, sagt er, als sei das ganz offenkundig. »Du könntest doch auch da weitermachen, wo du bist… Du verdienst doch ganz gut im Augenblick, oder?«
»Vielleicht. Aber ich hab' mir sagen lassen, daß dieses Fischen nicht mehr viel bringt. Die Leute mögen heutzutage lieber Industriehähnchen, sie essen keinen Fisch mehr. Sogar beim Trawlen gibt es Absatzschwierigkeiten, und die Thunfischpreise sind bald im Keller. Da muß man sich halt nach was anderem umsehen.«
»Und wann willst du diesen wundersamen Plan in die Tat umsetzen? Es interessiert mich, das zu erfahren Denn stell dir vor, du zählst nämlich ein bißchen in meinem Leben.«
»Verdammt noch mal, wenn du glaubst, daß es für mich leicht ist? Ich hab' nicht 'ne reiche Familie im Rücken wie du! Ich hab' ein behindertes Kind und 'ne Frau, die auch nicht mehr die kräftigste ist. Ich bin kein Beamter. Ich muß schließlich meine Verantwortung tragen und zuerst einmal an sie denken.«
Je mehr er sich aufregt, desto reduzierter wird seine Sprache. Verdammt noch mal, was sucht sie denn bei diesem Kerl, der nur eine Sorge hat, nämlich die siebzehnte Stufe zu erreichen? »Also hör mal… Für mich war es auch nicht immer ganz einfach, was glaubst du denn? Vielleicht würde es dich erleichtern, wenn wir's ganz lassen? Wenn wir uns nicht mehr sehen?«
»Erleichtern? Das ist gar kein Ausdruck!«
Gauvains brutale Ehrlichkeit verblüfft sie immer. »Gut, dann ist die Lage ja geklärt, wie mir scheint. Es liegt dir nicht mehr besonders viel daran, mich zu sehen, es macht dir das Leben viel zu kompliziert…«
»Das hab' ich nie gesagt«, unterbricht sie Gauvain. »Ich habe gesagt, daß ich in gewisser Hinsicht erleichtert wäre, das ist nicht das gleiche. Und im übrigen wird der Plan nicht sofort verwirklicht. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich dir davon erzählt habe.«
Der Ober bringt die Rechnung, die Gauvain sorgfältig studiert, ehe er seine Dollars auspackt; er zählt sie, indem er sich wieder den Zeigefinger leckt. Mit finsterer Miene zieht er seine Jacke an. George hat ihren Schal anbehalten: In solchen vollklimatisierten Lokalen holt man sich den Tod.
Als sie das Lokal verlassen, begegnen sie einem Hundertjährigen in seinem Laufgestell in Begleitung einer kahlköpfigen Ehefrau. Automatisch preßt sich George an Gauvain, und sie kehren schweigend in ihr Motel zurück. Am nächsten Morgen werden sie sich trennen, und schon fühlen sie sich als Waisenkinder. »Nochmals, was meinen Plan betrifft, so gibt es da noch nichts Endgültiges, das war nur so eine Idee«, flüstert er wenig später George ins Ohr, bevor sie in den Schlaf versinken, ineinander verwickelt wie zwei Kraken.
Am nächsten Morgen läutet der Wecker um fünf. Das ist nicht die richtige Tageszeit für einen Gefühlsüberschwang. Sie fahren nicht gemeinsam. George fliegt nach Montreal, mit Zwischenstation in Boston, wo sie den Tag mit Ellen verbringen wird, die ihrerseits im Begriff ist, nach Jamaika zu fliegen, mit durchtrainiertem Schambein-Steißbein-Muskel. Gauvain fliegt schon am Vormittag nach Paris. Mit einem traurigen Lächeln zieht er seine geflochtenen Sandalen mit Kreppsohlen und sein von Marie-Josée gestricktes JacquardBlouson mit Reißverschluß wieder an und legt seine marineblaue Mütze oben in die Reisetasche, »für, wenn ich in Paris ankomme«. Er zieht sich wieder als Seemann an, und fortan gehört er ihr nicht mehr. Aber will sie ihn denn? Das Herpesbläschen auf der Lippe ist über Nacht eine Pestbeule geworden, ihr Mund ist eine häßliche Schnute. Sich häßlich

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