Salz auf unserer Haut
nur mehr eine wie ein Angorahund gelockte Dame mit Ringen um die Augen und einem nicht ganz blütenfrischen Teint, und nichts ist mehr sichtbar von der schönen Vorfreude, die mir vorhin durch die Adern und über die Haut lief.
Aber Lozerechs Erscheinen, sein von eigentümlicher Schwerkraft gezeichneter Gang, diese Art, sich zu bewegen, als wäre er auf dem festen Boden niemals ganz zu Hause ‒ wie alle Seeleute, die aus dem Meer allzulang ihre Heimat gemacht haben ‒, lassen blitzartig alles, was nicht unendliche Zärtlichkeit in mir ist, schwinden. Sein angstvoller Blick sucht mich in der Menge, und ich stürze ihm mit soviel Inbrunst entgegen, daß ich mir sogleich die Lippe an seinem verdammten kaputten Zahn aufreiße. Die Anstandsdame, die darauf bestanden hat, mich zum Flughafen Mirabel zu begleiten, kichert prompt. Das verwandelt sich binnen achtundvierzig Stunden in einen blühenden Herpes, alte Freundin! Seit ich fünfundvierzig bin, nennt sie mich alte Freundin! Aber ich kümmere mich nicht um Jahre und Spiegel: Jetzt werde ich mich nur noch in Gauvains Augen sehen. Mein Alter? Welches Alter denn? Das des Geliebtwerdens, basta.
Wir sehen uns gerührt an, als ob wir diesmal wirklich befürchtet hätten, uns nie wiederzusehen. Die Tatsache, daß wir fast aufeinander verzichtet hätten und es trotzdem geschafft haben, uns noch einmal zu treffen für ihn eine hochgefährliche Akrobatennummer, für mich eine komplizierte Planungsaufgabe, beide durften wir uns keine Fehler leisten ‒, das macht uns fröhlich wie kleine Kinder. Das Leben hat wieder einmal gewonnen. Händchenhaltend wie die Amerikaner, warten wir auf Gauvains Gepäck, und im Taxi, das uns »nach Hause« bringt, küssen wir uns unentwegt. Zum erstenmal haben wir ein Haus mit einer Küche und einem Kühlschrank voller Vorräte, mit einem Fernsehapparat, einem Plattenspieler, einem Bett, das wir selbst werden machen müssen, das wir aber gleich nach unserer Ankunft aufschlagen, um uns zu vergewissern, daß die maßlose Anziehung, die unsere Geschlechtsteile einst aufeinander ausübten, immer noch vorhanden ist.
Ach, die erste Liebkosung meines rauhen Gesellen, wie lange habe ich davon geträumt? Ja doch, es ist alles noch da, die Macht und die Schwäche, untrennbar. »Du erinnerst dich also noch genügend an mich, mein Kormoran, um von so weit herzukommen?«
»Du willst wohl sagen, daß ich mich zu sehr an dich erinnere, um nicht zu kommen?«
Beide ruhen wir in der tiefen, kindischen Gewißheit, da zu sein, wo wir sein müssen. Ich streichle über das dichte Gekräusle auf seinem Unterarm, in dem ein paar einzelne weiße Fäden sichtbar werden. Er hat seine Hand auf meinen Venushügel gelegt wie ein Besitzer. »Ich habe den Eindruck, daß wir jetzt von dieser Krankheit nie wieder genesen werden. Ich jedenfalls habe die Hoffnung aufgegeben!«
»Das ist ja der Beweis, daß es keine Krankheit ist. Im Gegenteil, es ist das Leben, das hast du mir oft genug gesagt. Ich mag nicht, wenn du davon redest wie von einer Krankheit.«
»Es ist wie ein Fieberschub, und zwischen den Schüben denkt man, daß es nicht wiederkommt.«
»Sag das für dich. Ich weiß, daß es bei mir endgültig ist. Und glücklich darüber bin ich auch noch.«
Er lacht, und es ist sein schönes, junges Lachen. Wir sind beruhigt, jetzt können wir mit der zweiten Szene beginnen: »Die Rückkehr des Seemanns«. Gauvain packt seinen Koffer aus und richtet sich ein, während ich genüßlich all die langweiligen und billigen Gesten ausführe, von denen heute abend jede bedeutet: Schlaf mit mir, und: Danke für die Liebe. Ich decke den Tisch für uns zwei, bringe ihm einen Whisky (am Kap ist er auf den Geschmack gekommen), serviere ihm das Essen, das ich heute morgen für ihn zubereitet habe. Ich spiele die eifrige Ehefrau, die ihren Ferngereisten empfängt, und zugleich auch die Kesse und nebenbei noch die Verruchte. Es ist nur das kleine Einmaleins der Verführungskunst, aber Gauvain braucht nicht mehr, um überzeugt zu sein, daß er heute abend mit der Königin von Saba speist. Ich genieße jeden einzelnen seiner Blicke. Ich weiß, daß ich für keinen Menschen jemals mehr diese Sexbombe sein werde, die er in mir sieht. Beim Nachtisch erhebt er sich und legt mir feierlich ein Kästchen aus rotem Leder neben den Teller. Wenn Gauvain mir ein Schmuckstück, ein echtes, schenkt, dann bedeutet das, daß die Lage ernst ist.
»Was sollte ich in Südafrika schon anderes kaufen… höchstens noch
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