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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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Massachusetts, auf einen jener Campus, von denen ich als junges Mädchen so sehr geträumt hatte, als ich die düsteren Hörsäle der Sorbonne frequentierte und brav jeden Abend den Bus der Linie »S« bestieg, um in den Schoß meiner Familie heimzukehren.
    Im sehr amerikanischen, sehr friedlichen Massachusetts der frühen sechziger Jahre lebten die Studenten und Professoren in einer behüteten Oase, und es war eine Art Regression, der ich mich hier mit Wonne hingab. Mein materielles Leben war gesichert, es bot sogar aufregende Perspektiven, und Loïc stellte das Stückchen Frankreich in meiner Nähe dar, ohne das ich mich im Exil gefühlt hätte. Die spontane Liebenswürdigkeit, die fröhliche, ja sogar indiskrete Vertraulichkeit, die die Amerikaner kennzeichnen, egal welcher Platz in der Hierarchie ihnen zukommt, erwärmten mir so sehr das Herz, daß ich sehr bald Gefahr lief, meine eheliche Erfahrung zu vergessen und mich in neuem Selbstvertrauen zu wiegen. Ich ging so weit, eine zweite Ehe in Erwägung zu ziehen! Aber ein Jahr des Zusammenlebens mit Sydney, einem Kollegen, der Neuere Literaturgeschichte unterrichtete, genügte, um mich die kuschelige Falle erkennen zu lassen. Denn fortan wußte ich, daß ich zu anpassungswillig ‒ oder zu feige? ‒ war, um einem geliebten Mann standzuhalten und mein eigenes Territorium zu besetzen. Meine Neigung, mich dem Lebensstil des anderen zu fügen, kannte ich nur allzugut. Sie war ein Reflex, ein alter, nicht überwundener Erziehungsschaden, und sie kostete mich im übrigen keinerlei Mühe, was mein Mißtrauen einlullte bis zu dem Tag, als ich entdeckte, daß mein Lebensanteil schmäler geworden war, daß sich meine Freiheiten verringert hatten und daß ich im Begriff war, die Machtverhältnisse meiner vorhergehenden Ehe wiederherzustellen!
    Ihrerseits waren sich die Männer, selbst die amerikanischen, noch viel zu sehr ihrer Privilegien bewußt ‒ auch hier handelte es sich um einen alten, nicht überwundenen Erziehungsreflex ‒, als daß sie sich nicht mit Vergnügen, sofern man sie dazu ermutigte, in die schmeichelhafte Rolle des Führers der Seilschaft und in die gemütliche Rolle des Paschas hätten zurückfallen lassen.
    Nach einem Jahr an Sydneys Seite war meine Redezeit um die Hälfte geschrumpft und meine Autorität total im Eimer. Bei Diskussionen im Kollegenkreis überließ ich ihm die Initiative des Themas, er unterbrach mich immer häufiger, um mir seinen Standpunkt unterzujubeln, und immer seltener hatte ich das letzte Wort. Wenn wir beide gleichzeitig redeten, hielt ich als erste inne, und je brillanter er sich zeigte, um so stumpfer wurde ich, ohne zu verstehen, warum! Im täglichen Leben begann ich, ihn um Erlaubnis zu bitten, wenn ich weggehen wollte, und sei es zu einem berufsbedingten Abendessen. Ich legte meinen Stift nieder und klappte mein Buch zu, sobald ich sein Auto in die Garage einfahren hörte, und immer häufiger geschah es, daß ich seine Socken wusch oder seine Unterhose irgendwo in einer Ecke auflas, wo er doch nie meine Strümpfe ausgewaschen oder meinen Mantel in den Kleiderschrank gehängt hatte.
    Mein Rückfall kündigte sich zunächst durch winzige Symptome an, die jemandem, der nicht schon eine erste Attacke der Krankheit erlebt hat, sicher nicht aufgefallen wären. »George und ich, wir haben gerade gesagt, daß…«
    W ir haben gesagt, aber wir, das war Sydney. »Wir haben eine wunderbare Woche in Maine verbracht, nicht wahr, Darling?«
Darling nickte zustimmend, aber diese Reise erzählte nicht ich, nicht ich würzte sie mit Humor, um unsere Freunde zu erheitern, sondern Sydney. Er ließ mich liebevoll an unserem Leben teilhaben, aber es geschah aus natürlicher Liebenswürdigkeit, aus Großzügigkeit und nicht mehr aus jener Angst heraus oder zumindest aus jenem Respekt, wovon ein paar Tropfen notwendig sind in jeglichem Ehecocktail. Ich stand nur noch in seinem Schatten. Wären wir verheiratet gewesen, wären wir zu My wife thinks… My wife always says… My wife is a wonderful cook… abgeglitten, und besagtes wife hätte noch ein zusätzliches Stück George eingebüßt bei diesem Geschäft! Fehlte mir doch schon ein »s«! Sogar hier spielte mir mein Vorname immer noch Streiche, obwohl George Sand in jenen Jahren bei den amerikanischen Intellektuellen sehr in Mode war. In mehreren Universitäten stand ihr Briefwechsel mit den großen Männern ihrer Zeit auf dem Lehrplan. Eine unserer Freundinnen übersetzte den Roman

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