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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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Consuelo, den zu lesen in Frankreich sich nie jemand die Mühe gemacht hatte. In Women Studies wurden Artikel über sie veröffentlicht, und ihre Freizügigkeit in der Liebe rief ebensoviel Bewunderung hervor wie ihre literarische Karriere. In Wellesley entdeckte ich, daß sie ihr erstes Buch mit fünfzehn Jahren geschrieben hatte, daß ihr Roman Indiana ein rauschender Erfolg gewesen war, daß sie Chopin neun Jahre lang ein Heim geboten hatte, wo er den schönsten Teil seines Werkes hatte komponieren können, und vor allem auch, daß sie klein war und mit Schuhgröße fünfunddreißig auskam! Das warf meine ganzen Vorstellungen von der Männerverzehrerin um, als die sie uns in Frankreich mit den Zügen eines schwarzgelockten Gendarms dargestellt worden war, von der Autorin, die nach skandalumwittertem Leben noch ein paar »ländliche Romane« geschrieben hatte, so die herablassende Bezeichnung in der kleinen Literaturgeschichte des Abbé Calvet.
Und dennoch, sogar hier blieb etwas vom Ruf der zügellosen Frau übrig. »Ach was? Deine Freundin heißt George ohne s?« sagten unsere Kollegen zu Sydney, mit anzüglicher Miene, als ob ich mir diesen Namen selbst ausgesucht hätte, mit dem Ziel, die Liebhaber zu sammeln, und zwar vorwiegend die hochsensiblen, genialen, die jünger waren als ich, sowie die häusliche Arbeit zu vernachlässigen, was sehr gut in das Bild paßte, das sie sich von den Französinnen machten. Da ich mich idiotischerweise von ihren Anspielungen beeindrucken ließ, setzte ich meine ganze Ehre daran zu beweisen, daß ich eine Intellektuelle sein konnte, ohne auf die Liebe und auf meine heilige Aufgabe als Mutter und Hausfrau zu verzichten. Zufällig war ich gesund genug, um all diese Rollen mit Frohsinn zu spielen. Loïc machte den Eindruck, ein glückliches Kind zu sein, und was Sydney betraf, so verlagerte er sehr subtil seinen Standort in meinem Leben. Als er sich der Mauer bewußt wurde, die ich zu meinem Schutz um mich herum errichtete, und ich ihn zu einer Entscheidung zwang, zeigte er, daß er mich genügend liebte, um meinen Wunsch zu akzeptieren, in seiner Nähe, aber in einer getrennten Wohnung zu leben, und nicht leidenschaftlich genug, Gott sei Dank, um mir böse zu sein und unsere Beziehung zu vergiften. Er war ein Dilettant des Herzens, ein Epikureer, ein Künstler, einer von den Männern, denen es so gut gelingt, sich die bedingungslose Liebe der Frauen zu sichern, weil sie so tun, als legten sie keinen Wert darauf. Dazu verhalf ihm auch das Aussehen eines Leslie Howard, mit seinen gewellten Haaren, bei denen sich schon frühzeitig Grau zu Blond mischte, seinen sehr hellbraunen Augen hinter der Nickelbrille und seiner rührenden Gestalt eines alternden Studenten ‒ alt für einen Studenten, aber noch jung für einen Mann von fünfundvierzig Jahren. Zum Glück war dieser lässige Verführer zu einem Zeitpunkt in mein Leben getreten, da ich mit ein paar Vorsichtsmaßnahmen der Lage gewachsen blieb, sein Charme warf mich nicht um, und ich fing auch nicht an, wie ein Dackel mit dem Schwanz zu wedeln. Was er ebenfalls akzeptiert hätte, ohne es zu zeigen und ohne es allzusehr auszunutzen, mit seiner gewohnten Eleganz.
Ich fuhr jeden Sommer nach Frankreich zurück, manchmal auch mit Sydney, damit Loïc seinen Vater sehen konnte und vor allem, damit er den Kontakt mit dem Heimatboden nicht völlig verlor. Jedes zweite Weihnachten verbrachte ich mit Frédérique, ihrem Mann und ihren Kindern in einem Ferienclub in den Tropen. In jenem Winter war der Senegal unser Treffpunkt. Ich war dreiunddreißig ‒ das schöne Alter ‒, meine Augen leuchteten blau unter den schwarzen Brauen. Meine Gestalt war die eines jungen Mädchens, und in der Art, mich zu kleiden und mich zu geben, hatte ich etwas Selbstsicheres, Lockeres, ja Unverschämtes, was ich mir in Amerika angeeignet hatte. Frédérique und ich hatten den Tag in Dakar verbracht, »um Einkäufe zu machen« ‒ eine Formulierung, bei der die Männer meist die Flucht ergreifen. Hier hatte es zur Folge, daß wir die Kinder meinem Schwager Antoine überlassen konnten.
Beide kauerten wir vor den ausgebreiteten Waren eines Händlers auf dem Hauptmarkt von Dakar und ließen uns einmal mehr von jenen grellbunten Boubous hinreißen, die unter diesem Sonnenhimmel prächtig aussahen, die wir aber irgendwann in einer Schublade verschwinden lassen würden, nachdem sie als Tischdecken, als Gardinen und als Bettüberwurf und sogar als Hauskleid

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