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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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hergehalten hätten ‒ so lange, bis in unseren abendländischen Zwergküchen eine genügende Anzahl von edlen Porzellantassen von den verdammten Schleppärmeln zu Boden gefegt wäre. Ich war dennoch im Begriff, einen weiteren zu erwerben, einen rotgelben ‒ Farben, die ich hasse ‒, einem jener absonderlichen Triebe gehorchend, die einen in fremden Ländern manchmal packen, als ich meinen Namen rufen hörte. Ich kauerte auf meinen Fersen und sah zunächst die Knie dessen, der mich da anredete. Aber noch ehe ich mich aufrichtete, hatte ich ihn erkannt. Er hatte seine Raguenès-Augen und seine Boxerschultern, sein Mund war wie damals in unserem Hotelzimmer in der Nähe des Bahnhofs Montparnasse, und er stand da, fest auf dem Boden, die Füße leicht auseinander… Einzelheiten, die zu vergessen mir gelungen war und die ich bei unseren kurzen Begegnungen in der Bretagne nie wiedergefunden hatte. Weit entfernt von zu Hause war alles plötzlich, als ob wir bei uns beiden zu Hause wären.
»George«, wiederholte er gerührt, und dabei schenkte er mir einen Blick, den er lange vor mir verborgen hatte… ja, seit wann eigentlich? Er hat meine Hände ergriffen, um mich hochzuziehen, und dann befanden wir uns in einer großen Luftblase, stumm und bewegt. Keiner von uns beiden hörte auf Frédérique, die weit weg von uns diverse Laute von sich gab und die uns schließlich in ein nahe gelegenes Straßencafé schleppte. Auf dem Boden der Realität sind wir erst wieder gelandet, als wir die Eiswürfel in unseren drei Pastisgläsern klirren hörten, und dann haben wir angefangen, die Neuigkeiten von zu Hause auszutauschen. Danach gingen wir zu den wesentlicheren Informationen über, zur gerafften Darstellung unseres jeweiligen Lebenswegs, aber unsere Leben waren so grundverschieden, daß sie unmitteilbar wurden. Sehr bald blieb uns nichts weiter zu tun, als nickend unsere Gläser zu betrachten, und dabei suchten wir verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Schweigen zu brechen.
Da traf Frédérique eine Entscheidung, die unser Schicksal veränderte.
»Ich werde euch alleine lassen, ich muß noch etwas besorgen. Ich habe meiner Tochter versprochen, ihr einen Elfenbeinarmreif mitzubringen, wie man sie hierzulande noch finden kann. Ich habe gerade einen Tip bekommen. Wir treffen uns an der Bushaltestelle, George, oder? Sagen wir, in einer halben Stunde.«
»Ich muß auch los«, machte Gauvain einen Versuch. Die Logik verlangte, daß ich mit einem jener mausgrauen Sätze antwortete, die nichts bedeuten: Also tschüs, bis demnächst ‒ dem Satz, der schließlich zu unserer Situation paßte. Lozerech hätte mir die Hand geschüttelt und wäre niemals Gauvain geworden. Es ging um ein entscheidendes Wort, das ihm nie eingefallen wäre; und selbst wenn es ihm eingefallen wäre, hätte er es nie ausgesprochen.
»Ach, hör mal! Nach all den Jahren kann man doch nicht einfach wieder so auseinandergehen… Warum sollten wir nicht zum Beispiel zusammen essen gehen heute abend? Wir beide, meine ich.«
»Ja, aber… meine Frau ist auch hier«, sagte Gauvain. »MarieJosée ist in Dakar?«
Grausam schwand die Aussicht auf ein sentimentales Diner mit diesem Anti-Sydney, dem ich vermutlich nichts zu sagen gewußt hätte, außer daß sein Körper mir nach wie vor über alle Maßen gefiel. Was übrigens immer ein ganz guter Einstieg ist…
Er erklärte mir, daß sein Schiff aufgrund eines Motorschadens im Trockendock liege, daß man auf das Ersatzteil warte und daß er die Lage genutzt habe, um seine Frau herfliegen zu lassen, die er ja nur drei Monate im Jahr sehe. Ich blieb stumm, und Gauvain fiel nichts ein, er machte keinen Vorschlag. Logisch. Ein pragmatischer Mann bewahrt nicht dreizehn Jahre lang eine so lästige Erinnerung.
Ich ließ nicht locker: »Wir könnten ja alle drei essen gehen?«
Er erschrak. Seine buschigen, in der afrikanischen Sonne rot gewordenen Augenbrauen zogen sich zusammen, als ob die Worte, die er nun aussprechen würde, ihm große Anstrengung abverlangten. »Ich hab' keine Lust, dich als Fremde zu sehen.«
»Du siehst mich also lieber gar nicht?« drängte ich ihn.
»So kann man es auch sagen«, meinte er trocken. Schweigen. Die Sonne sank rasch am Horizont, und es kam der kurze Augenblick, wo seit urewigen Zeiten der Mensch einen Schauer in seinem Rücken fühlt, weil er ahnt, daß diese Alltäglichkeit ein Wunder ist. Gauvain fuhr fort: »Es war nicht leicht, mich wieder zu fangen letztes Mal, weißt du. Ich mag

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