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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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die eheliche Verbundenheit, die dort herrscht: Lozerech, gefesselt an eine gebrochene Frau, eine Marie-Josée, die über die Behinderung des Sohnes niemals hinwegkommen wird.
    Ja doch, wahrscheinlich sollte man dieses liebevolle, leidenschaftslose Gleichgewicht als das Glück betrachten.

VII DISNEYLAND
    Da und dort soll es Liebespaare geben, über die die Jahre hinweggehen können, ohne daß sie jemals wieder Fremde werden. Beim ersten freien Blick, den sie sich wieder zuwarfen, wußten Gauvain und George aus sicherem Empfinden, daß diese drei Jahre, die aus so vielen Monaten und so vielen Wochen bestanden hatten, für sie nur eine lange Zwischenpause gewesen waren.
    Dreimal war er es gewesen, der das Schweigen als erster gebrochen hatte. Nachdem er von einer Ausfahrt, die härter gewesen war als die üblichen, zurückgekehrt war, hatte er sich dort unten im tiefsten Afrika plötzlich abgetrennt gefühlt von allen seinen Wurzeln, allzuweit entfernt vom bretonischen Gischt, vom Geruch seines Ozeans, von der vertrauten Wärme seines Hauses. Das Bedürfnis hatte ihn überwältigt, sich über seine Einsamkeit zu beklagen. Und wem konnte er eine so unanständige Sache wie »Weltschmerz« anvertrauen, wenn nicht der Frau, die ihm schon in der Vergangenheit zuzuhören gewußt hatte? Er schickte ihr lediglich zwei Seiten, um ihr zu sagen, daß es ihm nicht gutgehe, daß es aber irgendwie doch gehen müsse, daß die Fischerei im vergangenen Winter nicht sehr ergiebig gewesen sei und daß man eigentlich lieber Kartoffeln pflanzen solle, wenn man sich umsonst abrackere und wie ein Galeerensklave lebe. Auch George ging es nicht gerade hervorragend, was das Herz betraf, und nach wenigen Briefen kam ihnen die Lust, sich wiederzusehen, zusammen in einem Bett zu schlafen und ihren Durst aneinander zu löschen, sei es auch nur für ein paar Tage. Allerdings sah Gauvain keine Möglichkeit, vom mageren Gewinn der Wintersaison die Summe für eine Reise abzuzweigen. George hatte in jenem Jahr zufällig ein wenig Geld, aber erst nach langem Hin und Her gelang es ihr, ihm einen »Kredit« einzureden: Mit dem Geld würde er sich ein Flugticket nach Jamaika kaufen können, und dort würde ihnen Ellen Price ihr Ferienappartement zur Verfügung stellen. Er legte großen Wert darauf, den Kredit in monatlichen Raten zurückzuzahlen, denn den Gedanken, »von einer Frau ausgehalten zu werden«, wie er feierlich sagte, ertrug er nicht. Gauvain verfügte weder über die notwendige Zeit noch über genügend Phantasie, noch über das Netz von Freundschaften, um ein Komplott dieser Art zu schmieden, und George kümmerte sich um die komplizierte Planung, nach der sie schließlich mit wenigen Stunden Abstand auf dem Flughafen Miami eintrafen, er aus Afrika kommend, sie aus Montreal, wo sie eine Reihe von Vorlesungen gehalten hatte. George war als erste angekommen und ging vor dem verglasten Gang auf und ab, wo Gauvain auftauchen sollte, falls alles so ablief wie geplant; wieder einmal fragte sie sich, welcher Macht sie beide gehorchten. Gewissen Organen, sagte die Anstandsdame. Gewiß. Aber warum nun gerade diesen gewissen Organen? Davon gab es viele, in Afrika wie in Europa, und es gab sie für jeden Geschmack. Doch je mehr das Leben verging ‒ George ging auf die Achtunddreißig zu ‒, je mehr sie mittlere und kleine Liebschaften ausprobierte, je mehr männlichen Geschlechtsorganen samt ihren Besitzern sie begegnete, je mehr sie Verbindungen einging mit den Köpfen, die diese Organe zu beherrschen vorgaben, desto einzigartiger erschien ihr ihre Verbindung mit Gauvain. Desto deutlicher erkannte sie auch, daß man aus den Geschlechtsorganen nicht unbedingt auf ihre Inhaber schließen kann. Der humorvollste Intellektuelle kann sich als schlichter Schlagbohrer entpuppen, der Verführer als Anbeter seines heiligen Penis, und der ungehobelte Kerl kann den feinfühligsten Goldschmied verbergen.
    Und auf diesen Goldschmied wartete George, um dann mit ihm eine Chartermaschine in Richtung Kingston zu besteigen, wo sie zehn Tage in dem von Ellen geliehenen Appartement verbringen würden. Wie viele ihrer Kollegen von amerikanischen oder kanadischen Universitäten hatten Al und Ellen ein paar Jahre zuvor einen Urlaubskäfig im MontegoBeach-Club gekauft, einer riesigen, halbluxuriösen Eigentumswohnanlage mit Terrassen, von denen man auf einen nicht minder riesigen Strand hinuntersah. »Genau, was du brauchst. Ich habe es unter ähnlichen Umständen auch schon

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