Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
Vom Netzwerk:
benutzt«, hatte Ellen gesagt, die am glücklichsten war, wenn sie zum Seitensprung aufmuntern konnte. Als sie aber ein paar Stunden später den imposanten Kaninchenstall aus Beton entdeckte, der in einer ununterbrochenen Reihe von nicht minder erdrückenden Häuserblöcken eingequetscht lag, wurde George einen Augenblick von Panik ergriffen. Wie sollte sie es zehn Tage hier aushalten, ohne andere Beschäftigung als das Steckdosenspiel? Würde Gauvain es nicht bereuen, sich deswegen in Schulden gestürzt zu haben? Würden sie voneinander enttäuscht sein? Der Tag würde zwangsläufig kommen. Und mit achtunddreißig Jahren beginnt man allmählich, sich ein paar Sorgen um den Körper zu machen. Man beginnt, die gleichaltrigen Freundinnen, vor allem die, die man schon mit zwanzig kannte, aufmerksam zu betrachten, man erkundigt sich, was in puncto Beischlaf üblich ist, was die Männer mögen, und was die Frauen heutzutage tun. Von dieser kindischen Sorge erfüllt, hatte George zum erstenmal in ihrem Leben beschlossen, sich Pornofilme anzusehen, geschützt durch die Ausrede, daß sie weit von zu Hause weg war, in Montreal, wo sie jedes Jahr einen Monat verbrachte, um am Institut für feministische Studien der Laval-Universität eine Vorlesungsreihe zu bestreiten. Bestürzt war sie aus dem Kino gekommen. Auf der Riesenleinwand waren ihr diese eintönigen Schornsteinfegereien erbärmlich erschienen, und auch wenn sie nicht feixen und lachen konnte wie die neben ihr sitzenden Freunde von der Fakultät, war ihr der Sex als eine lächerliche Beschäftigung vorgekommen. So lächerlich, wie er ihr vermutlich im Alter erscheinen würde. Zumindest mußte man es hoffen, denn wie sollte man das Altwerden, mit dem sie in einer baldigen Zukunft rechnete, sonst ertragen? Sie kam bereits in die Jahre, in denen eine lange Reise nach einem Monat intensiver Arbeit in einem anstrengenden Klima einen nicht gerade schöner macht. Zu allem Überfluß hatte sie während des Flugs nach Miami in einer Zeitschrift einen langen Bericht gelesen über die klägliche Meinung der Frauen bezüglich ihrer eigenen Geschlechtsorgane. Vierzig Prozent unter ihnen hatten das Prädikat »eher scheußlich« angekreuzt! Wie würde Gauvain ihr »Organ« finden? Gab es überhaupt Mösen, die wirklich hübsch, objektiv reizvoll waren, nicht nur in den Augen der lieben Armleuchter, die gerade bis über beide Ohren in sie verliebt waren? George hatte immer Zweifel gehabt an ihrer »Muschi«, und ihrer Meinung nach hatte die Liebe stets nur überdauern können, weil die Männer nie genau hingeschaut hatten. Und diejenigen, die genauer hingeschaut hatten, die erotischen Schriftsteller, bestätigten ihre schlimmsten Ängste und untergruben ihr erotisches Selbstverständnis. Sogar die angesehensten Autoren, ein Calaferte zum Beispiel, schlugen sich zu jener widerwärtigen Meute, die nur ein einziges Ziel zu kennen schien: den Frauen beizubringen, daß sie sich mit der schändlichen Gräßlichkeit ihres Geschlechtsteils abzufinden hätten. Wie sollte man sich auch darüber freuen, »eine geistlose Spalte« zu besitzen, »die sich über einem Wirrwarr von Tentakeln schließt, die mit schlaffen Saugnäpfen besetzt und mit einer Vielzahl von kleinen Nägeln, Messerchen und unsichtbaren, glitschigen und spitzen Fangzähnen gespickt ist«? Wie sollte man es zulassen, daß ein Unschuldiger, der diese Autoren nicht gelesen hat, seinen Blick auf jenen »gierenden eierstöckigen Wahnwitz« richtet, »den zu befriedigen keine Rute dick genug ist«, oder auf »jenes gähnende Loch, eine nässende, eiternde Schweinerei«? Angesichts der »feuerroten Fackel«, des »gebieterischen Speers«, des »göttlichen Sporns«, die dieselben Herren beschreiben, kann man nur vor Scham vergehen.
    Da sie befürchtete, man könnte ihre schlaffen Saugnäpfe oder ihre glitschigen Widerhaken erspähen, hatte George immer sorgfältig die Beine geschlossen, sobald ein Blick auf ihrer intimen Anatomie ruhen wollte. Gewiß, die männliche Gerätschaft wirkt eher lächerlich mit dem schaukelnden Hängerüssel und den beiden altledernen Beuteln, die schon bei der Geburt runzlig sind. Aber der Mann wußte dieses verblüffende Trio gut zu verkaufen und ihm Respekt zu verschaffen. Die Frauen haben ihre Werbekampagne, wenn überhaupt, dann falsch angesetzt. George hat sich noch immer nicht an die Seeanemone gewöhnt, die zwischen ihren Schenkeln wohnt, an ihr regloses, bläulichrotes Spiralgeschnecke, das den

Weitere Kostenlose Bücher