Salz der Hoffnung
»Ich verstehe nichts von Holzwirtschaft. Kannst du den Verkauf veranlassen?«
»Ja, natürlich.«
»Und das Haus will ich auch verkaufen. Mitsamt Möbeln und so weiter.«
»Das ist vernünftig. Es ist viel zu groß für dich. Du solltest dich nach etwas Kleinerem umsehen.«
»Ich will kein kleineres Haus. Es sind alte Freunde der Familie aufgetaucht. Anscheinend waren sie zu Großvaters Lebzeiten bei uns nicht willkommen gewesen, ich weiß zwar nicht warum, aber das werde ich schon noch herausfinden. Es waren Freunde meiner Mutter. Edwina Proctor, sie ist mit den Bostoner Foys verwandt, wird eine Zeitlang bei mir wohnen. Ich habe beschlossen zu reisen, nach Europa zum Beispiel, und Edwina hat angeboten, mich zu begleiten. Ich hatte ja schon angenommen, daß ich dafür genug Geld haben würde. Aber jetzt …« Sie unterbrach sich und legte beide Hände über den Mund. »Oh mein Gott, Leonard. Es wird mir jetzt erst richtig klar. Neunhunderttausend Dollar. Das kann doch nicht wahr sein!« Auf einmal war sie so aufgeregt, daß sie nicht länger an sich halten konnte. Sie fing an zu lachen. Bald vermochte auch Leonard nicht mehr ernst zu bleiben, und sie lachten beide wie die Kinder.
»Du hast gut lachen«, brachte er schließlich atemlos hervor. »Du bist unsere reichste Klientin. Aber wenn ich dich an die Konkurrenz verliere oder schlecht berate, bringt mein Vater mich um. Kann ich dir eine Tasse Kaffee anbieten?«
»Nein, danke.« Sie setzte sich auf und rückte ihren Hut gerade. »Wie du vorhin schon sagtest, kommen wir zum Geschäft. Es besteht kein Grund, die Verkäufe zu überstürzen. Sowohl für die Mühle als auch für das Haus möchte ich einen guten Preis erzielen. Und das Land verkaufe ich auch. Die feine Gesellschaft von Boston hat sich jahrelang damit vergnügt, mir eine kühle Abfuhr nach der anderen zu erteilen. Jetzt bin ich am Zuge.«
»Regal, das ist doch nicht wahr.«
»Es ist wahr. Erzähl mir nicht, du wüßtest nicht, daß ich unehelich bin.«
»Natürlich weiß ich das. Aber es könnte viel schlimmer sein. Du könntest Jüdin sein.«
»Oh, sei doch ein einziges Mal ernst, Leonard.«
»Wie kann ich ernst sein, wenn du alles verkaufen willst, was du besitzt, und aus Boston verschwinden? Was du hier siehst, ist nicht Freude, sondern Rosonom junior in Panik!«
»Dann beruhige dich wieder. Ich habe nicht die Absicht, mich von eurer Firma zu trennen. Ich möchte, daß du nach und nach das ganze Land verkaufst und das Geld in Immobilien in der Stadt investierst. Geschäftshäuser, Mietshäuser, ganz gleich. Wann immer du ein Angebot für günstig hältst.«
Leonard lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »So funktioniert das nicht. Es würde Monate dauern, eine gute Neuinvestition mit dir abzustimmen, wenn du in Europa bist. Wir können ebensogut warten, bis du wieder heimkommst.«
»Ich werde lange Zeit nicht zurückkommen«, sagte sie, absichtlich das Wort ›heimkommen‹ meidend. »Du wirst die Entscheidungen allein treffen müssen. Ich werde dir eine Generalvollmacht erteilen.«
Er starrte sie fassungslos an. »Ich muß dich warnen, das ist keine sehr kluge Idee. Du solltest die Kontrolle über deine Angelegenheiten nicht aus der Hand geben.«
»Du hast mir doch vorhin selbst geraten, einen Fremden dafür zu bezahlen, daß er an meiner Stelle die Mühle leitet. Wo ist da der Unterschied?«
»Ich weiß nicht recht. Ich muß erst mit meinem Vater darüber sprechen.«
Während Regal wartete, dachte sie über ihre Situation nach. Geld oder kein Geld, die Bostoner Gesellschaft würde sie niemals akzeptieren. Je eher sie von hier fort konnte, um so besser. Und sie konnte schlecht ihr ganzes Geld um den halben Globus mitschleppen. Irgendwem mußte sie trauen, also warum nicht Leonard. Sie lächelte grimmig. Auf der Liste der Vermögenswerte hatte sie gesehen, daß ihrem Großvater das Land gehört hatte, das an die Pringle-Schule grenzte. Wieder und wieder waren sie an ihn herangetreten und hatten ihn zu einem Verkauf überreden wollen, immer umsonst. Sie durfte nicht vergessen, Leonard anzuweisen, daß es unter keinen Umständen an Pringle verkauft werden durfte. Eine Fabrik auf dem Gelände wäre doch nett, dachte sie.
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