Salz und Asche - Roman
nie gewirkt.
»Wobei stören?«, fragte sie.
Jan überlief es heiß. Er war selbst schuld an seiner peinlichen Lage. Warum war er nicht gleich in die Werkstatt gegangen? Weil du SIE aus der Nähe sehen wolltest, du Narr, sagte seine unbarmherzig aufrichtige innere Stimme. Sein Herz schlug immer ein bisschen schneller, wenn er Susanne sah, das war sein heimlicher Genuss. Doch nun schlug es ihm bis zum Hals vor Verlegenheit. Kleid ausziehen und in die Sonne legen. Natürlich hatte sie nicht von sich selbst gesprochen, das wusste er. Doch so schnell konnte seine Vernunft nicht arbeiten, wie er sich Susanne Büttner beim Entkleiden vorstellte. Ebenso rasch reagierte sein Körper. Sein Glück, dass er die Kappe schon vorher vom Kopf genommen hatte und sie nun unauffällig vor seine Mitte halten konnte. Was für ein Fluch das war, ein Mann zu sein, der nicht einmal hoffen durfte.
Eine feuchte Haarsträhne ringelte sich über ihre Wange. Ihre nassen Hände trocknete sie an der Schürze ab. Sie hatte erstaunt geklungen, aber nun fingen ihre Augen an zu lachen. Wie sollte sie auch nicht lachen, wenn er weiter dastand wie eine stumme Vogelscheuche? Er räusperte
sich. »Ich bringe die Fassbänder. Es ist spät geworden, weil Albert uns fehlt.«
Sie trat näher zu ihm, und er musste sich zusammenreißen, damit er nicht zurückwich. Immerhin schien sie nun nicht mehr belustigt, ihre Miene zeigte Betroffenheit. »Das mit Albert ist eine schlimme Sache. Glaubst du, dass er ein Totschläger ist?«
Jan schüttelte den Kopf. Es war schwierig, über Albert zu sprechen und gleichzeitig zu bemerken, wie nass das dünne Tuch ihres Kleides über der einen Brust war. Doppelt beschämend, dass er sich selbst bei dem furchtbaren Thema noch mit seinem sündigen Verlangen herumschlagen musste. »Er hat den Wenzel nicht erschlagen, da bin ich sicher. Mit seiner Stiefmutter hatte er Streit, aber dass er eine Frau umbringt … Jähzorn habe ich an ihm nie gesehen, und bei Verstand hätte er’s schon wegen der Kinder nicht getan. Es sind von väterlicher Seite seine Geschwister.«
»Sind die Kinder wieder da?«
»Nein. Albert hat mich gebeten, sie zu suchen. Aber ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll. Wenn er sie selbst nicht gefunden hat …«
»Und wenn der Mörder sie hat?« Sie sah ihm sorgenvoll in die Augen.
Er erwiderte ihren Blick schweigend und fühlte, dass er verloren war. Die hübsche Susanne sorgte sich um die Kinder. Wie konnte er die zwei nicht suchen, wenn auch sie darauf hoffte, dass er es tun würde? Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, warum der Mörder die Kinder festhalten sollte. Es sei denn, sie wüssten etwas, das ihm schaden konnte. »Ich werde mich umhören«, sagte er.
Sie lächelte. »Ich kann helfen. Wo …«
»Einen gesegneten Abend wünsche ich!« Das war die Stimme ihres Vaters, die laut über den Hof schallte. Büttner klang scharf, und Jan wusste sofort, was ihn ärgerte. Mit einem kurzen Nicken verabschiedete er sich von Susanne und ging eilig zu seinem Schubkarren zurück, um seine Lieferung abzugeben, wo er sie gleich hätte abgeben sollen.
Susanne teilte im Obergeschoss ihres Elternhauses eine Kammer mit ihren Schwestern. Regine und Liebhild schliefen gemeinsam im Alkoven. So fühlte Liebhild sich nachts nicht einsam, und gleichzeitig war sichergestellt, dass Regine nicht unbemerkt aufstehen und verschwinden konnte. Manchmal kam sie auf solche Ideen.
Susannes schmales Bett stand vor dem Alkoven. Wenn Liebhild aufs Nachtgeschirr musste, dann kletterte sie aus dem Schrankbett über Susanne hinweg zu Boden, und in der Dunkelheit trat sie ihr dabei gelegentlich auf die Beine. Susanne hatte in der Regel einen so festen Schlaf, dass sie es kaum bemerkte. Sie ging später zu Bett als die anderen beiden und stand mit dem ersten Hahnenschrei auf.
Auch an diesem Abend musste Susanne noch in der Küche ihre letzten Pflichten erledigen, während ihre Schwestern bereits im Bett lagen.
Die alte Muhme hatte sich schon in ihr Kämmerchen in der Werkstatt zurückgezogen. Susanne setzte sich nach dem Hühnerfüttern noch mit Flickarbeiten auf die Küchenbank. Lene wusch das Geschirr und bereitete für den nächsten Tag das Herdfeuer vor. Ihre Base schwatzte, wie meistens bei der Arbeit. Obwohl sie von Kind an als Magd bei den Büttners im Haus lebte, nahm sie das Abendessen nie mit der Familie ein, sondern mit ihrer Mutter und ihrem
bettlägerigen Großvater. Da ihre Mutter als Dienstmagd
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