Salzburger Totentanz
eigene Entscheidungen, ob künstlerisch oder geschäftlich, unterband ein gewiefter Vertrag. Wer von der Galerie Tappeiner vertreten wurde, verkaufte seine Freiheit. Wie Bosch Tappeiner gehasst hatte. Er hätte nicht herkommen sollen.
»Ja, ich habe Tappeiner gekannt«, wiederholte er und schlang die Kürbismousse hinunter. »Leider.«
»Leider?« Katharina zog die Augenbrauen hoch. »Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«
Bosch ließ Rudolf den Teller abservieren. »Kommt drauf an.«
»Worauf?«
»Was du wissen willst.«
Katharina zuckte die Schultern.
»Matteo Tappeiner, vor etwa vierzig Jahren in Südtirol geboren«, sagte Bosch. »Kunststudium in Rom, Lehrjahre in London, dort bereits eine eigene kleine Galerie und schließlich die Villa in Anif. Treffpunkt für Künstler und Sammler jeglicher Ausrichtung. Ausgezeichnete Kontakte zur Kunstszene in New York und, wie verlautet wird, in letzter Zeit auch nach Russland. Ein allgemein angesehener …«
»Danke, aber das weiß ich alles selber«, unterbrach ihn Katharina.
Mit Schwung stellte Rudolf zwei überdimensionale Teller vor ihnen ab, deren Ränder eine goldene Gams zierte, und in deren Mitte eine winzige Portion Essen kunstvoll arrangiert war.
»Hirschsteak à la minute mit Waldpilzen und Erdäpfelgratin«, verkündete er.
»Danke.« Kaum hatte der Kellner sich wieder entfernt, sagte sie noch: »Zweimal Wild am Tag … na ja, was soll’s.« Sie stocherte in ihrem Teller herum. »Ich will nichts über Tappeiners Arbeit oder Erfolge hören – obwohl sie aus deinem Mund etwas seltsam klingen. Ich will etwas über den Menschen Tappeiner hören.«
Bosch schnitt in das halbrohe Hirschsteak. Der blutige Fleischsaft zog eine rote Spur über die Haut der erkaltenden Rahmsauce und rann auf das Häufchen Pilze zu. Ihm wurde leicht übel. »Ich weiß nicht, ob ich für solche Informationen der Richtige bin.«
»Das lass ruhig meine Sorge sein. Also noch mal – wer war dieser Tappeiner?«
Bosch zögerte, dann sagte er: »Ein Hai.«
»Wie bitte?«
»Tappeiner war ein Hai. Ein Kunsthai.«
Katharina hob die Augenbrauen. »Ich fürchte«, sagte sie, »dass ich das so nicht schreiben kann.«
Bosch zog mit den Zinken der Gabel blutige Wellen durch die Rahmsauce. »Tappeiner konnte aus einer Menge an Talenten auswählen. Die Türen haben sie ihm eingerannt, die jungen Künstler. Er brauchte bloß zugreifen und einen herausfischen. Dann ist die Maschinerie angelaufen.«
Katharina nickte. »Ich nehme aber doch an, dass war sein Beruf, junge Talente zu entdecken und sie dann …«
»Entdecken! Tappeiner hat doch keine Talente entdeckt – er hat sie gemacht.«
»Wie – gemacht?«
»Produziert. Alles, was der Markt verlangt, kann heute produziert werden. Und die Nachfrage ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Kunst ist nachgerade ein Statussymbol für diejenigen geworden, die sowieso schon alles haben.«
»Du weißt ja gar nicht, wie recht du hast.« Katharina seufzte. »Wenn ich da so an meine Homestorys denke … Kunst gehört zum Lifestyle. Fördert das Image. Man kauft sich Kultur. Und einige dieser Leute haben das auch bitter nötig.«
Bosch nickte. Zu oft hatte er schon Kunstwerke bei Privatleuten gesehen, die gar nicht wussten, welche Schätze sie besaßen.
»Aber jetzt hab ich dich unterbrochen …« Katharina schenkte ihm wieder ihr strahlendes Lächeln.
Bosch betrachtete die Pilze auf seinem Teller und fragte sich, welche Sorten es wohl sein mochten. »Jedenfalls ist Kunst sammeln so was wie ein modernes Gesellschaftsspiel geworden«, sagte er. »Natürlich nur für Reiche. Aber leider gibt es da ein kleines Problem.«
»Was für ein Problem?«
»Denk doch einmal an die ganzen großen Meister, Rembrandt, Dürer, Leonardo, die hängen im Museum. Die französischen Impressionisten – ausverkauft. Genau wie die klassische Moderne. Picasso hat zwar wie am Laufband gemalt, ist heute aber auch kaum noch zu bekommen.«
»Verstehe.« Katharina fuhr mit einem perfekt manikürten Zeigefinger nachdenklich am Rand ihres Glases entlang. »Man braucht, äh, produziert neue Maler.«
»Ganz genau.« Bosch nickte. »Eigentlich sollte ein Galerist einem Künstler zur Seite stehen, ihn beobachten, sich entwickeln lassen. Das kostet aber Zeit und Geld. Also geht man gern auch mal den umgekehrten Weg. Und Matteo Tappeiner war einer der Ersten, die das erkannt haben.« Waldpilze hatte der Kellner das Gemisch auf seinem Teller genannt. Für Boschs
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