Salzburger Totentanz
unterbrach ihn Katharina mit einem Blick auf Bosch. »Aber wissen Sie was, lieber Rudolf? Bringen Sie uns einfach zweimal das Mittagsmenü. Und einen Krug Wasser.«
»Und für mich bitte die Weinkarte.« Bosch räusperte sich. Wenn er schon fein essen ging, wollte er dazu auch ein Glas Wein trinken. Und wenn Katharina so streng auf ihre Linie hielt, war das ihre Sache. Aber bitte ohne ihn.
Der Kellner verbeugte sich knapp und entschwand samt der Speisekarte.
»Du bist doch einverstanden?«, fragte Katharina. »Ich hab heute Abend noch einen Termin und kann eh nicht so viel essen – das jährliche Wildessen für das diplomatische Korps im Jagdhof Fuschl. Deswegen …« Sie deutete auf ihre Jägerleinenjacke. An ihrem Handgelenk blitzte ein mit Grandln und goldenem Eichenlaub verziertes Armband.
Bosch lächelte mit echtem Widerwillen auf die gelb verfärbten Hirschzähne, fand aber, dass ihre Aufmachung gut zu Jagdschloss und Wildessen passte. Die internationale Diplomatie würde entzückt sein. Sein Blick wanderte zu ihren glänzenden kastanienbraunen Locken und dem dezent geschminkten lächelnden Gesicht. Ihm war, als hätte er das Titelblatt eines Hochglanzmagazins vor sich.
Rudolf erschien und reichte Bosch die Weinkarte. Er wählte einen Zweigelt, der ihm sowohl vom Alkoholgehalt als auch vom Preis her vertretbar schien. Dann schob er den Stuhl neben sich beiseite, um sein rechtes Bein besser ausstrecken zu können.
»Ist was? Du bist schon so komisch hereingehumpelt.«
»Ich hasse Hunde«, knurrte Bosch.
»Ach so? Alle oder einen speziellen?«
»Alle. Und besonders den, der mich gestern gebissen hat.«
»Oh? Na ja, so was passiert halt, nicht wahr?« Katharina schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln, das nicht nach allzu viel Anteilnahme aussah. »Also, warum ich dich hergebeten habe …«
Doch in diesem Moment brachte der Kellner schon die Vorspeise.
»Danke sehr, Rudolf«, sagte Katharina mit einem Blick auf den Teller vor sich. Dann schaute sie zum Kellner hoch. »Was soll denn das sein?«
»Kürbismousse mit fangfrischem Saiblingsfilet.«
»Ah ja, na gut …« Sie wandte sich wieder an Bosch, der bereits das Besteck in Händen hielt. »Weshalb ich dich also hergebeten habe, Hans – ich mache einen Nachruf auf Matteo Tappeiner. Du kennst doch diesen Galeristen, der letzte Woche ertrunken ist?«
Bosch nickte und zerteilte den Saibling. Hatte sie ihn etwa herbestellt, um mit ihm über diesen Galeristen zu reden? Da war er auf jeden Fall der falsche Gesprächspartner.
»Ein schwieriges Unterfangen, kann ich dir sagen. Zuerst habe ich mich um diesen Morelli, Tappeiners Geschäftspartner, bemüht.« Katharina fuchtelte mit der Gabel durch die Luft. »Aber der lässt mir von seiner Assistentin eine gedruckte Vita mit dem Hinweis ›zurzeit keine Interviews‹ schicken. Eine Frechheit! Dann hab ich’s bei Schwarzenberger versucht, der ist ja so was wie Tappeiners Zugpferd. Aber der hat im Moment anscheinend überhaupt keine Zeit. Ganz Malerfürst eben. Du bist meine letzte Hoffnung.« Katharina griff nach der Kristallkaraffe und schenkte sich ein Glas Wasser ein, während Bosch sein Rotweinglas in die Hand nahm. »Unser Chefredakteur war nämlich ein persönlicher Freund von Tappeiner und möchte in der Samstagsausgabe einen ausführlichen Artikel über den lieben Verstorbenen lesen. Du verstehst. Schmeckt’s?«
»Mhm …« Bosch sah von seinem Teller auf. Das winzige Stück Fisch, das er gerade im Mund hatte, war zu klein, als dass er hätte sagen können, ob es fangfrischer oder überhaupt Saibling war.
»Fein«, fuhr Katharina fort. »Also, was weißt du über ihn?«
Bosch schluckte den Bissen Fisch hinunter. »Was?«
»Na, über Tappeiner. Du hast ihn doch gekannt, oder?«
Auf Boschs Teller leuchtete das Kürbispüree gelb auf dem Bett aus Blattsalat. Eine Herbstimpression. »Ja, ja, natürlich kenne ich Matteo Tappeiner.«
Und ob er ihn gekannt hatte, den Galeristen, der wie eine Spinne sein Netz in der Salzburger Kunstszene gesponnen hatte. Ein Netz, in dem er sich seine Künstler fing. Sie glitzerten wie Tautropfen und reflektierten dabei nur das flüchtige Licht einer kurzen Spanne öffentlicher Aufmerksamkeit. Und die Fäden des Spinnennetzes hatten sich im Laufe der Jahre zu starken Seilen verwoben, in deren Mitte der große Galerist selbst hockte. Ein Maler oder Bildhauer, der bei Tappeiner unterschrieben hatte, brauchte sich um sein Auskommen keine Sorgen mehr zu machen. Aber
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