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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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war. Die gesammelten Pilze, die ihn ursprünglich bis zum geflochtenen Rand gefüllt haben mussten, ergossen sich zwischen dem grünen Blattwerk und den Erdkrumen, die den Tisch bedeckten. Der Maler hatte die Waldfrüchte meisterhaft plastisch dargestellt. Große Steinpilze und kleine Pfifferlinge, solche mit festen, fleischigen Hüten und solche mit weichen Stängeln lagen um den Korb herum.
    »Morbid, was? Und ausgerechnet Pilze. Ich wollte es schon abhängen«, sagte Michaela, die neben Hans getreten war.
    »Nein, es ist fantastisch«, murmelte Hans. »Alles scheint zum Greifen nah und so verlockend.« Er zeigte auf eine Bildstelle. »Aber schau, auf den zweiten Blick sind die Madenlöcher sichtbar, und die Hüte sind wurmstichig.«
    Michaela kannte das Bild seit ihrer Kindheit und teilte seine Begeisterung nicht. Zu allem Überfluss ringelte sich nämlich auch noch eine gelblich weiße Made im Vordergrund auf einem verwelkten Weinblatt. Wenn es so wertvoll war, wie Hans meinte, würde sie es bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verkaufen.
    Von draußen war Motorengeräusch zu hören. Michaela ging zur Tür zurück und spähte hinaus. »Dein Taxi ist da.«
    Auf Michaela gestützt humpelte Hans über den langen Kiesweg zur Gartenpforte hinüber, wo der Wagen wartete.
    Michaela sah den schwächer werdenden Lichtern des Taxis nach. Etwas stupste gegen ihren Ellenbogen, und sie erschrak. »Ach, Achilles, Gott sei Dank! Na, aufgewacht?«
    Das gefleckte Fell der Dogge schimmerte im Schein der Straßenlaterne. Sie wandte ihren mächtigen Kopf dem dunklen Teil des Gartens zu und ließ ein tiefes Grollen vernehmen. Lächelnd griff Michaela nach dem üppigen Nackenfell des Hundes und zupfte ihn zärtlich.
    »Ist schon gut, Achilles. Du bist ein guter Hund. Aber für heute ist es genug.«
    Sie hakte ihren Zeigefinger in den dicken Messingring des Halsbandes, und gemeinsam kehrten sie ins Haus zurück, wo sie sorgfältig alle Türen und Fenster verschloss.

SIEBEN
    Der Tod kam durch die Hintertür. Ein weißes Leichentuch über dem Schädel, einen Pfeil in der zartknochigen Hand, ein Grinsen unter leeren Augenhöhlen, so trat er leise und unbemerkt ins Zimmer. Über dem Haupt des Bettes, in dem der Sterbende lag – nackt, ein rotes Tuch um den erschöpften Kopf gebunden –, tanzten Engel mit silbrig weißen Flügeln und Dämonen mit teuflischen Fratzen. Ein Zwitterwesen aus Kröte und Lurch kroch unter dem Bett hervor, und eine Amphibienhand streckte sich nach dem Geldbeutel, den der Sterbende noch immer umklammerte.
    Das sonntägliche Glockengeläut der Franziskanerkirche riss Bosch aus seiner Arbeit. Er sah hoch zu den kleinen Kastenfenstern, durch deren geöffnete Flügel ein kühler Luftzug wehte. Endlich kündigte sich Regen an.
    Er kniff die Augen zusammen und betrachtete kritisch sein Werk. »Der Sensenmann« hatte er es nennen wollen, doch nun schien ihm daraus eher ein »Tod des Geizigen« zu werden. Er überlegte, wie er weiterarbeiten sollte, denn zweifellos musste er dem Sterbenden jetzt die menschlichen Begleiter seiner letzten Stunde beistellen. Sein Blick fiel auf die Hand, die sich noch im Todeskampf um den Geldbeutel schloss, und Bosch entschied, der Habsucht ein weiteres Denkmal zu setzen, indem er die künftige Witwe darstellte, wie sie im Hintergrund und im schwachen Licht einer Kerze heimlich und ungesehen das Geld zählte, das sie bald erben würde.
    Bosch runzelte die Stirn. Irgendwie wollte ihm die Hand des Sterbenden nicht gefallen. Er wollte ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Affenpfote geben. Gedankenlos verlagerte er das Gewicht auf sein rechtes Bein. Sofort spürte er einen Stich und zuckte zusammen. Der Hundebiss schmerzte noch immer. Er verkniff sich einen Fluch und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Gleich halb zwölf. In einer Stunde war er mit dieser Journalistin zum Essen verabredet. In Anbetracht des sicher bald einsetzenden Regens hätte er lieber das letzte Sonnenlicht genutzt und weitergemalt.
    Er hakte die Drähte aus, die die kleinen Sprossenfenster offen hielten. Von unten konnte er das Plätschern des Papagenobrunnens hören und das Lied einer Amsel, die auf dem Glockenspiel des eisernen Vogelfängers saß. Bosch schloss die Fenster und stopfte ein zerknülltes Maltuch unter eine Stelle des Fensterrahmens, dort wo sich das alte Holz verzogen hatte und immer wieder Regenwasser durchsickerte. Dann machte er sich auf den Weg.
    Die »Goldene Gams« lag nur wenige hundert

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