Salzburger Totentanz
hatte man zur Feier des Anlasses eine rot-weiß-rote Fahne auf dem hoch aufragenden Fassadenturm gehisst, und die Villa verbreitete herrschaftliches Flair. Der Eindruck wurde an diesem Abend durch die zahlreichen Luxusautos, die dicht an dicht auf dem Vorplatz parkten und die elegant gekleideten Besucher, die angeregt plaudernd die Treppe zum Hauptportal hinaufstiegen, noch vertieft.
Auch Bosch mühte sich über den Kies, der seine frisch geputzten schwarzen Schuhe mit einer Staubschicht überzog, nachdem ihn das Taxi am Beginn der eng verparkten Auffahrt abgesetzt hatte. Der Regen vor ein paar Tagen hatte nur wenige Stunden gedauert und der Stadt kaum Kühlung verschafft. Boschs Abendanzug war aus leichtem Wollstoff, zu warm für den Sommerabend, und das langärmelige weiße Hemd klebte schon jetzt an seinem Rücken. Die gelb-grau gemusterte Seidenkrawatte, das letzte Weihnachtsgeschenk seiner Mutter, schien sich von Minute zu Minute enger zuzuziehen.
Er stieg die breite Treppe hinauf und wurde von den anderen Gästen durch die hohe zweiflüglige Glastüre in das Innere der Villa geschoben. Hier war es etwas kühler als im Freien, aber die lauten Stimmen der vielen Menschen, die sich in der Eingangshalle und an den kunstvollen Schmiedeeisengeländern der beiden Marmortreppen drängten, die gegenläufig in den ersten Stock führten, vermischten sich zu einer Klangwolke, die Bosch als geradezu schmerzhaft empfand.
Unschlüssig blieb er stehen und suchte eine Gasse zwischen den Ausstellungsbesuchern. Überall begrüßten sich die Leute, klopften sich auf die Schultern, umarmten einander oder hauchten sich gegenseitig flüchtige Küsse auf die Wangen. Bosch zog sein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn ab.
Ein blond gelocktes Mädchen im Kindergartenalter schlüpfte zwischen den Beinen der Umstehenden hindurch, dahinter lief ein ganz in Weiß gekleideter Junge, der es mit Indianergeheul verfolgte. Die Kleine rannte auf Bosch zu und krallte ihre Kinderhände in seine Hose. Ein scharfer Schmerz fuhr durch sein Bein, und er unterdrückte ein Stöhnen. In ihrem blau-weißen Seidenkleidchen sah das Mädchen aus wie die in einer Glockenblume sitzende Elfe aus einem seiner Kinderbücher, die Bosch immer noch im Regal stehen hatte.
»Blödmann, Blödmann, Arschloch!«, brüllte die Elfe.
Bosch löste energisch seine zerknüllte Anzughose aus dem Klammergriff der verschwitzten Kinderhände und schubste die Kleine in Richtung der nächsten Menschengruppe, in der sich, so hoffte er, auch die Mutter dieses Satansbratens befand. Dann bahnte er sich entschlossen einen Weg durch die Ausstellungsbesucher.
Was für ein verwünschter Abend. Aber das Institut für Kunstgeschichte unterhielt seit Jahren gute Geschäftsbeziehungen zur Galerie Tappeiner, beriet bei Ankäufen und erstellte Expertisen. Es war selbstverständlich, dass ein Vertreter des Instituts zur Festspielvernissage erscheinen musste. Und wer konnte das nach dem Tod Professor Salcheneggers schon sein? Bosch hatte vor, Fabian Morelli, den neuen Inhaber, zu seiner Ausstellung zu beglückwünschen und dann so schnell wie möglich zu verschwinden. Die modernen Schmierereien von Franz Schwarzenberger interessierten ihn nicht.
Endlich erreichte er den Wintergarten an der Rückseite der alten Villa. Mit dem schwarz-weißen Marmorboden, den Rattanmöbeln im Kolonialstil und den exotischen Pflanzen stellte er geradezu eine Oase der Ruhe dar, zumal sich in diesem Raum gerade niemand befand. Bosch atmete auf. Sein Blick wurde von einer Statue gefesselt, die als einziges Exponat den Raum zierte.
Die eineinhalb Meter hohe Bronzestatue stand zwischen zwei Palmen und wuchs aus einem weißen Marmorsockel empor. Ihre dürre Silhouette schien den Teufel darzustellen. Den Kopf leicht zurückgelegt, die Augen geschlossen, lauschte er den für menschliche Ohren unhörbaren Tönen, die er selbst seiner Panflöte entlockte. Mit lang gezogenen Armen hielt er das Instrument vor sein Maul. Seine Hörner, vom Künstler ungewöhnlich breit und lang ausgeführt, ragten bedrohlich in die Höhe.
Bosch musterte die Figur, die geschickt vor einem Rundbogenfenster platziert war, das hinter ihrem Rücken den Blick auf die weite Landschaft freigab. Die Plastik, solcherart mit Rahmen und Hintergrund versehen, schien mit ihrer Umgebung zu einem Gemälde zu verschmelzen. Als wäre der Teufel die Hänge des in der Ferne liegenden Untersbergs herabgestiegen und den Feldweg zwischen den mit
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